13. August 2006

Bei Franz hab ich heuer einen reifen Bock frei.

Kandidat war ein ungerader Achter. Am Abend des ersten Mai ist er vom Holzmann kommend unter der Ansitzleiter an mir vorbei über die Straße nach Altenberg gebummelt. Ein Grenzbock.

Wenn ich´s recht überschlage, bin ich in der Folge rund 40 Stunden auf ihn angesessen.

40 Stunden Ansitz... das sind 15 oder mehr Lesestunden. Die Stunden im August galten dem "Meister des Jüngsten Tages" von Leo Perutz und Thomas Bernhards "Holzfällen".

Der Griesgram dieses Autors macht vor niemandem Halt. Er hasst alle, die ihm unterkommen, nicht zuletzt sich selbst. Kein Seelenwinkel ist vor seinem Grimm sicher. Ein böser Humorist, hat er Schimpfen und Lamentieren zur Kunstform erhoben und die Empörung naiver Leser genossen.

Im Frühjahr 1963 bin ich ihm begegnet. Im letzten Lehrjahr als Buchhändler war ich mit einem Dutzend anderer "Jungbuchhändler" zwei Tage lang Gast der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien. Heimito von Doderer pinkelte neben mir in der Toilette des Cafes Hawelka. Der Boden war mit Sägespänen bestreut.

Bernhard hatte soeben mit "Frost" Aufsehen erregt. Der 32jährige litt an starker Akne, war in der Diskussion ziemlich einsilbig und machte einen verklemmten, arroganten Eindruck.

Mit Siebzehn freilich hatte ich nicht nur Literatur im Sinn. Ich nutzte die Rückfahrt für einen Abstecher nach Melk. Am Abend war ich mit E. im Kino. Wir sahen einen Western mit Audie Murphy - No Name on the Bullet.

An einem Abend in den letzten Juli-Tagen ist der ungerade Achter wieder aufgetaucht. Er ist von seinem Altenberger Einstand gekommen und hinter der Hecke in meinem Rücken zum Holzmann gewandert. Keine Chance, ihm die Kugel anzutragen. Gestern hat Franz mir mitgeteilt: "Er liegt." In Altenberg natürlich.

Der Bock im Winkel mit der weiten Auslage war Kandidat Nummer zwei. Oft hab ich ihn gesehen. Da er mir aber nicht älter als drei Jahre schien, hab ich Franz um Bestätigung gebeten. Auch Franz hat ihn nach zweimaligem Ansitz als dreijährig angesprochen. So hab ich im Winkel bei dieser Gelegenheit nur eine alte, kranke Geiß erlegt.

Kandidat Nummer drei war der Platzbock im Weberwiesel. Auch ihn hab ich mehrmals gesehen: gedrungener Träger, große Rosen, hohe Stangen, endenfreudig - aber war nicht auch er zu jung?

"Uns fehlen die alten Böcke!" hat Franz geseufzt in Erinnerung an die verunglückte Riegeljagd im Dezember. In unserem Revierteil hat der schussfreudige M. zwei reife Böcke auf einmal gestreckt in der Meinung, zwei Geißen vor sich zu haben.

Zweimal ist Franz mit mir angesessen, um den Platzbock in Augenschein zu nehmen. Beide Male ist er aufgetaucht, aber so spät und so weit entfernt, dass Franz nicht urteilen mochte.

Nun sitzen wir erneut unter der Eiche an. Die sinkende Sonne blendet. Hinter meinem Wetterfleck getarnt warten wir, bis sie hinter den fichtenbestandenen Hügel gerollt ist. Franz kramt den Rehruf aus der Tasche. Er lockt.

Mein Blick gleitet vom Waldrand im Osten über den Gegenhang im Norden zum Hügel im Westen und kommt über das Feld mit den Sonnenblumen wieder zurück. An die fünfzehn Minuten vergehen so, schweigend in gespannter Aufmerksamkeit.

Da tippe ich Franz an. Der Bock steht im Schatten unter den Bäumen am rechten Waldrand. Ich lege an, als sein Haupt hinter einem Baumstamm verschwindet und er die Bewegung nicht registrieren kann. Franz hat das Glas an den Augen. Da tritt der Geweihträger aus. Nach einigen Sekunden flüstert Franz: "Nimm ihn!"

Auf den Schuss schlägt der Bock nach hinten aus, prescht über die Wiese, an uns vorbei, bricht durchs Unterholz und - "er liegt" sagt Franz.

Zum dritten Mal geht mir heuer ein Bock nach einem sauberen Kammertreffer mit einem nicht zu kleinen Ausschuss an die sechzig, siebzig Meter.

"In der Brunft sind sie halt hart" nickt Max, als wir in kleiner Runde beim Prammer auf den Bock anstoßen. Das Wildbret hängt nebenan in der Kühlkammer. Mit einem Eichenbruch im Äser liegt das Bockhaupt auf dem Tisch.


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