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26. August 2006 [Speikkofel] "Kasreingalan" - mozartkugelgroße Gebilde aus Bröseltopfen, in heißem Fett ausgebacken und mit Apfelmus serviert. Während wir zulangen, besingt Helmut im Duett mit der Wirtin die "Hoamliche Liab". Eine nicht alltägliche Jagd klingt aus. Am Morgen gegen halb fünf sind wir vom "Josefbauer" aufgebrochen. Reinhard hat das aufgelassene Wirtshaus auf dem Singerberg zum Jagdhaus umgestaltet. Zahlreiche Gamstrophäen, Rehkronen, Hirschgeweihe und Keilerwaffen bedecken die Wände. Das Gästezimmer beherrscht ein kapitales Karibu-Geweih aus Alaska. Vom Balkon schweift der Blick übers Klagenfurter Becken bis zu den Gurktaler Alpen. Auf der Giebelseite des schindelgedeckten Nebengebäudes verwittert die Jahreszahl "1861". Rundum herrscht die Stille des Hochwalds. Nach unserer Ankunft habe ich zwei Probeschüsse mit einer 222iger Steyr-Mannlicher abgegeben. Wir haben Ingrids Pilzgericht genossen, bei einem guten Roten über Vergangenheit und Zukunft geplaudert und den geplanten Jagdtag besprochen. Murmel gibt es nur nördlich der Drau. "Auf unserem Weg in die Nockberge werden wir Franz abholen. Ihm gehört die 222iger. Auf der Hochrindl wartet Sepp, der zu Helmuts Hütte voranfahren wird." Die Hütte ist hundert Jahre alt, die mächtige, hohle Lärche daneben an die fünfhundert Jahre, erzählt Helmut, während wir unsere Rucksäcke in seinem Defender verstauen. Mit von der Partie ist Zeus, ein prächtiger Hannoveraner im sechsten Behang. Reinhard, Franz und Sepp bleiben in der Hütte. Es sieht nach Regen aus.
Ab der Baumgrenze geht es zu Fuß weiter. Fleckvieh und ein paar Pferde weiden auf dem Speikkofel. Mehrmals müssen wir über Stacheldraht. Vor einem Felsbrocken nimmt Helmut seinen Rucksack ab und bedeutet mir, Deckung zu nehmen. Leise macht er mich auf zwei Baue aufmerksam. Neugierige Kälber nähern sich und müssen verscheucht werden. Nach etwa vierzig Minuten kommen drei Murmel in Anblick, allerdings nicht aus den bezeichneten Bauen, sondern über 200 Meter entfernt und meist verdeckt hinter Gras und Steinen. Nach einer Stunde flüstert Helmut "Wir gehen weiter". Nichts lieber als das. Mich friert und es beginnt zu nieseln. Hinter einer felsigen Erhebung hält Helmut inne. Behutsam nehmen wir den Gegenhang ins Visier. Zwei Murmeltiere bewegen sich im Gelände. Weiter oben thront ein kräftiges Stück auf einem flachen Stein, während ein viertes aus dem Bau rechts dahinter lugt. Helmut gibt das ruhende Stück frei. Ich lasse den Rucksack zu Boden gleiten, lege das Glas ab, robbe den Felsen hinauf und spähe über die Kante. Das Stück liegt breit mit aufgerichtetem Oberkörper. Über hundert Meter. "Nicht weich schiessen! Dann geht es ab in den Bau, du kriegst es nicht und der Bau ist verloren" hat es geheißen. Die Felskante ist schief, vor allem aber ginge der Schuß in einen Stein unterhalb der Visierlinie. Ich rutsche nach links. Der geflochtene Gewehrriemen greift sich ungewohnt schmal und dünn an. Ich kann die Büchse nur nach einigem Hin und Her stabilisieren. "Nicht weich schiessen!" Das Murmel bleibt im Feuer. Das zweite Tier kommt aus dem Bau und pfeift das erlegte Stück an. Es fährt erst ein, als ich mich nähere. Ein starker Bär. Der Schuss sitzt im Nacken. Puh. Zu hoch und zu weit rechts. Hochschuss, weil ich bergauf tiefer hätte anhalten oder weil ich doch den Hut unter den Schaft hätte legen sollen? Zu weit rechts jedenfalls, weil ich keine Lehre aus den Probeschüssen gezogen habe: sie lagen gut besammen, beide aber etwa einen Daumen breit rechts vom Haltepunkt. Zwischen knapp getroffen und knapp daneben liegen nur Zentimeter, dennoch Welten: Ein Weidmannsheil löst bei Schütz und Pirschführer stets Freude aus. Der Fehlschuss hingegen ist immer mißlich und der Trost der lieben Mitjäger für den glücklosen Schützen ist selten ohne Häme. Der erfolgreiche Ausgang dieser Jagd hebt die Stimmung bei allen Beteiligten. Zum Murmeltierjäger geschlagen, geniesse ich dankbar die Aufnahme in diese heitere Runde sangesfreudiger, trinkfester Kärntner Jäger. Ein geglückter Tag unter Freunden wird kostbarer mit jedem Lebensjahr. Würde man nicht hinschwinden wie der Tau auf dem Adashi-Feld und nicht flüchtig vergehen wie der Rauch auf dem Toribe-Berg, sondern ewig leben - wie könnte man da die zaubervolle Melancholie erfassen, die in allen Dingen webt? Gerade ihre Unbeständigkeit macht die Welt so schön. Yoshida Kenko [1283 - 1352]
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