31. 05. 2018 | Bockjagd in Schlesien | |||
Wir sind zahlende Gäste in einem wildreichen, stark bewaldeten und weitläufigen Jagdgrevier (10.000 Hektar) in der Nähe von Oppeln. Die komfortable Unterkunft ist ein Anbau an ein Försterhaus aus der Zeit der preußischen Eroberung. Die Verpflegung durch Frau U. ist ausgezeichnet. Mit dem dritten Gast, E., einem älteren Jäger aus Plauen, der nach der Wende in seine Heimat zurückgekehrt ist, schließen wir rasch Bekanntschaft. Er hat vor, im Herbst zur Hirschjagd zu kommen und sieht sich vorderhand nur um. Mit ihm und H., dem Hausherrn und Jagdveranstalter, einem geborenen Schlesier, führen wir angeregte Gespräche. Von der Bärenjagd in Russland, die er vor Jahren unternommen hat und die unverhofft dramatisch verlaufen ist, erzählt H. authentisch und packend. Noch öfter als über die Jagd aber reden wir über die wechselvolle Geschichte Schlesiens, über die Kultur und das Schicksal der einst überwiegend deutschen Bevölkerung. H. trägt aus seiner Familiengeschichte und aus der Geschichte des Forsthauses dazu interessante Details und unmittelbar Erfahrenes bei.
Am Samstag nach dem letzten Ausgang fahren wir nach Breslau.
Wir schlendern um den Großen Ring, besichtigen das Rathaus und die Elisabethkirche. Von 1525 bis 1946 war sie die evangelische Hauptkirche Breslaus. Nach der Vertreibung der deutschen Schlesier hat der polnische Staat sie beschlagnahmt und sie dem Militärordinariat der römisch-katholischen Kirche als Garnisonkirche übergeben.
Das Gemälde des preußischen Hofmalers Michael Willmann wurde entfernt und landete in einem polnischen Museum. An seiner Stelle hängt seither eine Kopie des Bildes der Schwarzen Madonna von Tschenstochau.
Rückfahrt durch das dünn besiedelte Sudetenland. Nach 1945 haben die Tschechen etwa drei Millionen Sudetendeutsche aus dem Land getrieben.
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23 mal bin ich seit dem 1. Mai in der Gemeindejagd auf meinen beiden Kanzeln und auf der Leiter angesessen. Im Anblick lediglich eine beschlagene Geiß und ein Jahrling mit lauscherhohen Stangen. Zumindest vorläufig ist er nicht frei für den Abschuss. Im einsichtigen Teil des Nachbarreviers auch kaum Bewegung. Den nahezu vollen Futterautomaten musste ich Ende April ausräumen. So wenig wurde er noch nie in Anspruch genommen. Nur 20 Prozent des Gemeindegebiets besteht aus Wald. In den letzten drei Jahren wurde überdies viel Käferholz entnommen. In den neu entstandenen Lichtungen wächst reichlich Kraut. Die Rehe haben weniger Anreiz, auszutreten. Vom 23. bis 27. Mai war ich mit G. auf Bockjagd in Polen. Bei 6 Ansitzen kam ich drei Mal zu Schuss.
Den ersten Bock kann ich am ersten Abend bei guter Sicht auf etwa 90 Meter strecken. "Weidmannsheil! Stary (= alt)! Fünf bis sechs Jahre" schätzt St., als er den Bock begutachtet. Am späteren Abend fragt mich der Hausherr, wie ich mit meinem Pirschführer auskomme. "Gut", sage ich, "so rasend über Stock und Stein aber war ich noch nie unterwegs." H. entfährt ein Fluch. "Immer wieder! Neulich kommt er zu mir und äußert verblüfft: 'So einen gläubigen Deutschen hab ich noch nie getroffen. Er hat sich fortwährend bekreuzigt.' Du Esel! sag ich. Er hat sich bekreuzigt, weil du so irr fährst! Mit dir will er nie mehr fahren!"
Kaum haben wir am nächsten Abend den Hochsitz erklommen, springen in etwa 300 Meter Entfernung ein Bock und eine Geiß aus dem Wald. Nach einigen Sätzen lassen sie sich nieder. Sie bleiben liegen und sind nicht mehr zu sehen. Wortlos verständigen wir uns, die Rehe zu umschlagen und den Hochsitz auf der anderen Seite der langgestreckten Lichtung zu besetzen. Von dort scheint es näher zu ihrem Lagerplatz. - Nach etwa zehn Minuten halten wir Ausschau von gegenüber. Wir glasen das Gras ab. Nichts. ----- Nichts. ----- Nichts. ----- Nichts. Doch! ----- Bewegen sich dort nicht die Stangen des Bocks? St. sieht sie nicht und auf den zweiten Blick sehe ich sie auch nicht mehr. Hat mich das Schattenspiel des Lichts mit den Halmen getäuscht? Nach einer halben Stunde wird St. unruhig. Er glaubt nicht mehr, dass der Bock noch da ist und will zu einem anderen Ansitz. Da taucht das Haupt des Bockes aus dem Gras. Langsam zieht er Richtung Wald. "Guter Bock" flüstert St. In der Tat, starke hohe Stangen. Ich spanne, nehme ihn ins Visier und steche ein. Immer wieder rücke ich nach. Auch wenn er inne hält, werden nur Haupt und Träger sichtbar. Schließlich schiebt er sich nach einer Bodenwelle halb aus dem Gras. Steht. Gibt den Blick auf das Blatt frei. 180 Meter.
Beim morgendlichen Ansitz liegt ein See aus Bodennebel zwischen den Ufern weit entfernter Waldstücke. Nach etwa einer Stunde ist der Nebelsee nahezu ausgetrocknet und lässt ein Grasmeer zurück, in dem zwei Jahrlinge springen. Mit dem Glas mache ich in über 200 Meter Entfernung das Haupt eines Bockes aus. Es dauert eineinhalb Stunden, bis er hoch wird und zum Waldrand strebt. Die Situation ist ähnlich wie am Abend zuvor. Immer wieder rücke ich mit der Büchse im Anschlag nach, bis ich endlich seine rote Decke sehe. Noch etwas weiter als gestern... Auf den Schuss geht er nieder. Dann springt er auf, hetzt auf den Waldrand zu und verschwindet im Gebüsch. Schweiß am Anschuss, aber den Bock finden wir weder in den Sträuchern am Waldrand, noch im Wassergraben dahinter. Auch im Wald steht das Kraut teilweise hüfthoch. St. telefoniert. Eine halbe Stunde später kommt sein Kollege mit einem Terrier. Er trägt ihn zum Anschuss, lässt ihn laufen und folgt ihm mit geladener Büchse. Nach etwa zehn Minuten kommt er erfolglos zurück. Telefoniert. "Um 1100 Uhr kommt der Fährtensucher mit seinem Bayrischen Gebirgsschweißhund." - Wir fahren zurück zum Jagdhaus und frühstücken. Ich werfe mich aufs Bett. Ja, es war weit zu schießen, aber ich meine gut abgekommen zu sein. Hab ich mich getäuscht? Nach einer Weile nicke ich ein. Es klopft. "Der Bock liegt!" ruft H. Ich stürze zur Tür. "Weidmannsheil! Schau her" er zeigt mir ein Foto auf seinem Smartphone. Der Schweißhund liegt neben dem Bock. "Der Fährtensucher will ein Foto von deiner Patrone für seine Statistik. Ein glatter Durchschuss im hinteren Kammerbereich. Erstaunlich, dass der Bock mit diesem Schuss 120 Meter gegangen ist." ![]() |
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Horrido! |
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