9. 8. 2007 | Vom Großen Turm | |||
Wappen von Hinterstoder
Die drei Bergspitzen verweisen auf die geographische Lage: das Stodertal wird umschlossen von der Spitzmauer, vom Priel-Stock und der Warscheneck-Gruppe.
Gamswild
Das Gamswild gehört zur Familie der gemsartigen Tiere, wie die in Alaska beheimatete Schneeziege. Diese robuste Tierart ist perfekt an ein Leben im Gebirge angepasst und bewohnt die Alpen sowie andere europäische Hochgebirge (Pyrenäen, Apennin, Abruzzen, Tatra, Karpaten, Balkan, Kaukasus). Die Hufe sind klobig mit hartem Rand und weichem Ballen. Im Sommer, wenn sich die Schalenränder am Fels abschleifen, findet die Gämse mit der weichen Sohle guten Halt. Im Winter verhilft die scharfe Kante zu sicherem Tritt auf vereisten Flächen. Die Hufschalen sind gegeneinander sehr beweglich. Bei normalen Gang werden sie parallel zueinander aufgesetzt, bei Flucht, Schnee oder in steilem Gelände sind sie stark gespreizt. Die Afterklauen, zwei kleine zurückgebildete Zehen hinter den Hufen, werden vor allem beim Abwärtsgehen als Bremse eingesetzt; sie hinterlassen nur in weichem Boden einen Abdruck.
Aus dem Alpenvereinsführer Totes Gebirge
Großer und Kleiner Turm -
H. Thallinger, Ge. Rabeder, D. Nies, B. Steiner, 1968, V. 3Std.
Die Wildererschlacht von Molln [Wikipedia]
Die Zeit des Ersten Weltkriegs war aufgrund der totalen Lebensmittel- und Rohstoffblockade durch große Not gekennzeichnet. Auch nach dem Krieg besserte sich das Elend kaum, Arbeitslosigkeit und Hunger erwartete die Heimkehrer. Die Jagdinhaber wurden von der oberösterreichischen Landesregierung sogar aufgefordert, das überschüssige Wild abschießen zu lassen, um den Hunger der Bevölkerung zu lindern, was jedoch nicht verwirklicht wurde.
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[Weißenbachtal / Hinterstoder] Ausgepumpt hocke ich am Gamssteig vor dem Großen Turm. Ich nehme einen Schluck aus der Wasserflasche. Herbert schaut oben nach, ob mittlerweile eine passende Gams in Schussweite gekommen ist. Nach dem Aufstieg von der Hütte sind wir heute Vormittag am Großen Turm angesessen. Ein passendes Stück haben wir nur in rund 500 Meter Entfernung zu Gesicht bekommen. Nach etwa 90 Minuten sind wir aufgebrochen. Herbert hat den Einstieg zu einem windgünstigen Pfad zum Gebirgskamm gesucht. Er hat ihn nicht gefunden. Wir sind immer weiter hinunter gekommen und schließlich wieder aufgestiegen. Dann haben wir die Suche auf einem anderen verwachsenen Gamspfad wiederholt. Erneut vergeblich. Rund 100 Höhenmeter sind wir in schwierigem Gelände hinunter, herauf, wieder hinunter und wieder herauf geeilt. Ich verstaue die Flasche im Rucksack. Herbert kommt zurück. Der Nebel hängt im Turmtal in der Höhe von 1700 bis 1800 Meter. Keine Sicht vom Großen Turm. Er schlägt vor, auf dem vertrauten, aber längeren Pfad zum Kamm aufzusteigen. Er läßt seine Büchse zurück und nimmt mir meine ab. Ich schlage es ihm nicht ab. Als wir nach flottem Aufstieg den Kamm auf rund 2000 Meter erreicht haben, hat uns der Nebel eingeholt. Wir beschließen, am Rand des Kars eine Zeit lang liegen zu bleiben. Der Nebel scheint sich weiter zu lichten. Nach etwa zwanzig Minuten haben wir freie Sicht. Keine Gams heroben, aber weit unten, auf der Glinz-Alm, gegenüber vom Großen Turm, da liegen und äsen fünf Gams, nein, sieben... oder noch mehr? Rasch wieder hinunter, zurück und hinauf auf den Großen Turm... Vor der freien Stelle auf der Zinne, die wir zum Ansitz am Felsen queren müssen, machen wir halt und glasen. "Drei... nein, vier Einser-Gaisen, alle mit Kitz" kommentiert Herbert. Rasch queren wir die kritische Passage, nehmen Platz und richten uns mit langsamen knappen Bewegungen ein. "Vielleicht taucht eine nicht führende Gais aus der Deckung auf" meint Herbert. Er hat die Schussweite ausgemessen. Dreihundert Meter Luftlinie bis zur Glinz-Alm. Ich lege versuchsweise an. Ich habe meine .30-06 auf hundert Meter mit vier Zentimeter Hochschuss eingeschossen. Theoretisch müßte ich 34 cm über den Zielpunkt halten. Aber die dünnere Bergluft, der Aufwind... "Ich werde nicht schießen" sage ich zu Herbert. "Meine Blaser ist auf 280 Meter eingeschossen" bietet er an. Ich zögere. Mit einem fremden Gewehr? Ohne Probeschuss? Herbert entfernt die Patrone aus dem Lauf und reicht mir seine Büchse. "Sie ist nicht einzustechen, sie hat einen Feinabzug. Den Schuss kommen lassen, nicht reissen!" Ich nehme ein Stück zur Probe ins Visier und ziehe den Abzug durch. Es ginge. Herbert schiebt die Patrone wieder in den Lauf. "Winchester Short Magnum Kaliber .270. Rasantes Geschoss, wenig Rückstoß. Hoch anhalten" erklärt er. Ich richte mich ein. Mein Puls ist mittlerweile wieder ruhig, aber ich umwickle auf Herberts Rat den quergestellten Zielstock mit einem Pullover und lege auch den Kolben auf. Bei dieser Entfernung ist jeder Pulsschlag eine Garantie zum Fehlschuss. Eine weitere Gais betritt die Szene. Allein. Sie zieht zur Sulz, und schlägt zwei Kitze ab, die sich nähern. "Einser-Gais, nicht führend" senkt Herbert das Spektiv. "Die nehmen wir." - An die dreißig Minuten steht die Gais spitz hinter dem Pfahl. Ich gehe hin und wieder aus dem Anschlag, um mich nicht zu verkrampfen. Plötzlich und ohne ersichtlichen Grund bricht das Scharl auf. Alle Stücke ziehen zur Deckung. Die anvisierte Gais geht als letzte ab. Endlich zeigt sie Breitseite, aber sie zieht ohne stehenzubleiben. Ich fahre mit. Gleich hat sie die Lärchen erreicht. Herbert stößt einen Pfiff aus. Sie zieht weiter. Herbert pfeift noch einmal. Für den Bruchteil einer Sekunde hält sie inne, das Haupt ist bereits hinter den Lärchen. Da ziehe ich durch. Die Gais sackt zusammen, kollert einige Meter den Hang hinunter... liegt... bleibt liegen... bleibt... liegen! Herbert umarmt mich und ist voll des Lobes. Ich bin mehr erleichtert als stolz. Gemeinsam machen wir uns auf zur Bergung. Es dauert eine halbe Stunde, bis wir das das Turmtal, das tiefe, steile Kar zwischen dem Großen Turm und der Glinz-Alm, umgangen haben.
Der Einschuss liegt im Haltepunkt, knapp hinter dem Blatt. Die Wirbelsäule ist durchschlagen. Uff. Nur Zentimeter liegen zwischen "Meisterschuss" und Patzer. Die dünne Bergluft und der Aufwind bieten für diesen Treffer die tröstlichste Erklärung: Herbert hat die Büchse im Tal eingeschossen. Ich sehe hinüber zur Spitze des Großen Turms. Die Weite ist enorm. Das Foto mit Herbert, Asso und der Gais im Vordergrund vermittelt davon einen Eindruck.
Herbert zählt die Horntüten. Er zählt ein zweites und ein drittes Mal, dann ist er sicher: "Fünfzehn Jahre" sagt er.
Eine gute Stunde später erreichen wir die Hütte. Wir hängen die Gams an den Aststumpf einer Fichte, waschen uns im Trog und wechseln die durchgeschwitzte Wäsche und Oberbekleidung. Dann genießen wir die Jause. Wir sprechen über das Revier, über den Abschussplan und die Kosten, über unsere Berufe und über unsere Familien. Herbert stammt aus Molln. Sein Urgroßvater war 1919 an der sogenannten "Wildererschlacht" beteiligt. Noch heute sei dieses Ereignis in Molln emotional stark besetzt. Viele Familien seien stolz auf Vorfahren, die in der damaligen Not die Jagd als Wilderer betrieben und ihr Leben dafür eingesetzt haben. Später fahren wir zur unteren Hütte. Es hat zu regnen begonnen. Karl und Martin kommen gerade von der Rehpirsch zurück. Karl, der Jagdherr, freut sich, dass sein Jagdgast auf Anhieb erfolgreich war und eine so gute Gais zur Strecke gekommen ist. Ich freue mich auch. Am heutigen Erfolg freilich hat Herbert den größeren Anteil. |
Horrido! |