16. 05. 2009   Oroszlán  
       

Der Schützenbruch in Ungarn ist in den seltensten Fällen von einem Nadelbaum zu gewinnen.


Man findet überhaupt bey keiner Wildart so viele widersinnige, das heißt unregelmäßig oder ungewöhnlich gewachsene Gehörne, als beym Rehwilde; doch ist das stärkste Rehbocksgehörn selten höher oder länger, als zwölf Zoll. Alte Böcke zeichnen sich durch die Dicke der Stangen, durch die daran befindlichen stark vorstehenden Perlen, durch die Stärke oder Größe der Rose, auch dadurch von den jüngeren aus, daß die Rose naher am Kopfe steht, als der Rosenstock kürzer ist.

Georg Ludwig Hartig, Lehrbuch für Jäger und die es werden wollen, 1812


Die Zivilisation spult ihren Faden Tag für Tag dichter auf den Erdenknäuel.


Gelassen gewinnt die Natur alles Geschaffene wieder zurück.


Sehnsucht hat mich früh geweckt;
wo die alten Eichen rauschen,
hier am Waldrand hingestreckt
will ich Dich, Natur, belauschen.

Jeder Halm ist wie erwacht;
grüner scheint das Feld zu leben,
wenn im kühlen Tau der Nacht
warm die ersten Strahlen beben.

Wie die Fülle mich beengt!
so viel Großes! so viel Kleines!
wie es sich zusammendrängt
in ein übermächtig Eines!

Wie der Wind im Hafer surrt,
tief im Gras die Grillen klingen,
hoch im Holz die Taube gurrt,
wie die Blätter alle schwingen,

wie die Bienen taumelnd sammeln
und die Käfer lautlos schlüpfen -
oh Natur! was soll mein Stammeln,
seh ich all das Dich verknüpfen:

wie es mir ins Innre dringt,
all das Große, all das Kleine,
wie's mit mir zusammenklingt
in das übermächtig Eine!

Richard Dehmel





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Chappi hält den Wagen an, kurbelt das Fenster herunter, hält ein Feuerzeug in den Wind und murmelt befriedigt: "Oroszlán".

Ich frage Dieter, was das Wort bedeutet. "0roszlán heißt Löwe. Du wirst am Oroszlán ansitzen. Der Wind steht gut."

Wie der Sitz zu seinem Namen kommt, will ich wissen. Dieter holt aus. Vor Jahren habe er dort aus einer Rotte Sauen ein Stück geschossen, das er auf 25 Kilo geschätzt hatte. Bertalan aber habe, als er es endlich im hohen Gras gefunden hatte, aufgelacht: "Dieter hat einen Löwen geschossen!" Das Stück sei lediglich sieben Kilo schwer gewesen.

Als Alternative zur nicht realisierbaren Klausel haben Fred und ich mit Dieter eine Unterpacht im südlichen Teil seines Reviers vereinbart.

Die Jagdeinrichtungen sind überlegt placiert und in gutem Zustand. Chappi kümmert sich regelmäßig um Kirrungen und kennt den Wildbestand. Welch ein Unterschied zu den verfallenden Ständen im alten Revier und zu Berufsjägern, deren aufdringliche Begleitung und Vorliebe für die Autopirsch uns so genervt hat!

Ich steige aus. Chappi hat Dieter schon am Schilf-Sitz ausgesetzt und fährt nun mit Fred zum Kaiser-Sitz weiter. Ich werfe mir den Rucksack über die rechte Schulter und will durchrepetieren...

... aber das Magazin ist nicht angesteckt. Erschreckt fahre ich in die Jackentasche, links, rechts, seitlich... nein. In der Eile des Aufbruchs habe ich das Magazin wohl am Tisch im Vorhaus liegenlassen.

Zum Glück steckt in der rechten Jackentasche stets ein Etui aus Leder mit fünf Patronen. Ich schiebe eine in den Lauf und mach mich auf zum Oroszlán, der etwa 150 Meter weiter in der Hecke stehen soll.

Die Kanzel ist neu und wintersicher. Die Auflagen sind wie das Sitzbrett mit einem unterfütterten Teppichstoff überzogen. Ich lege mir eine Patrone zum Nachladen zurecht. Der Blick vom Oroszlán geht nach Osten auf ein Feld, nach Norden auf eine Senke. Rund um diese dichtes Gesträuch.

Mit dem Glas gleite ich das Strauchwerk um die Senke ab und verharre bei einem dunkelbraunen Fleck. Das ist... ein Bock! Ein ... alter Bock.

Er sichert, beginnt die freie Stelle zu überqueren, hält, wirft auf, setzt sich langsam wieder in Bewegung. Schon taucht sein Haupt ins Blattwerk der anderen Seite. Die 30/06 kracht, er zeichnet, springt auf mich zu, erstarrt und stürzt in den Horst einer mannshohen Staude.

Währenddessen habe ich nachgeladen. Angestrengt beobachte ich den Staudenhorst. Keine Bewegung. Liegt er? Ist er abgetaucht? Nein, nein, er muss liegen. Muss er?

Ich steige ab, laufe die Hecke entlang, suche den Abstieg zur Senke. Geduckt haste ich durch den Strauchtunnel. Da muss der Anschuss sein... ja. Der Boden ist tief, das Kraut hoch. Ich wate zur Staude, die Waffe im Anschlag. Der Bock... liegt. Kammerschuss.

Ich berge ihn. Vom Weißdorn am Feldrand knicke ich den letzten Bissen und den Schützenbruch. Starke Stirnzapfen. Der Hauptspross der rechten Stange ist zurückgesetzt, links ist ein Sproß abgebrochen. Ein alter Bock, ja.

Um 1930 Uhr liegt der Bock aufgebrochen am Feldrand, ich lehne entspannt in der Kanzel. Da sitzt du oft stundenlang herum, kommst weder zu Anblick noch Schuss - und dann geht´s auf einmal so rasch, dass du es kaum fassen kannst.

Am nächsten Morgen genieße ich den Tagesanbruch vom Schilf-Sitz. Der junge Bock, der mir kommt, möge mir in ein paar Jahren erneut begegnen.

 

Horrido!