16. Mai 2005

[.......] Das Verhältnis von Hans zur Jagdgesellschaft ist seit Beginn des Jagdjahres gespannt. Er ist Mitpächter eines Reviers geworden, das vor Jahren aufgrund spezieller Eigentumsverhältnisse vom Jagdgebiet der Gesellschaft abgetrennt und gesondert verpachtet worden war.

Groß war der Unmut in der Jägerschaft über den Verlust dieser naturbelassenen Hügel gewesen. Seit Jahrzehnten hatten ortsansässige Jäger dort gejagt, jeder Winkel war ihnen vertraut. Die neuen Pächter wurden beargwöhnt. Es war stillschweigender Konsens, ihnen zurückhaltend zu begegnen.

Auf dem Jägerball aber, so hat Hans mir behaglich erzählt, ist er heuer mit den "Feinden" ins Gespräch gekommen. Zur Überraschung und zum Ärger seiner bisherigen Mitjäger hat er die Seiten gewechselt. Nun jagt er wieder in dem herrlichen Gebiet, exclusiver als je zuvor.

Vorgestern hat er mich angerufen und mich auf einen Bock eingeladen. Stolz ist er mit mir das Revier abgefahren. Er hat mir die Kanzeln und Sitze gezeigt, ihre Vor- und Nachteile geschildert und erzählt, wo und was er anders oder neu machen wird. Wir haben einige Stücke gesehen, zu Schuß aber bin ich nicht gekommen. Wer viel pirscht sieht viel, wer viel sitzt, schießt viel, heißt es zu Recht.

Gestern abend sollte es so weit sein. Hans entscheidet sich nach längerer Überlegung für den "Handlauf-Sitz". - Links zieht eine hochbeschlagene Geiß aus. "Da kommt der Bock nach" flüstert Hans zuversichtlich. Ich schätze die Entfernung auf mindestens 250 Meter und habe keine Lust, einen Jahrling auf diese Entfernung zu beschießen. Als er tatsächlich kommt, ermuntert mich Hans, es zu versuchen.

Ich unterschieße den Bock. Er springt gesund ab. Nicht hoch genug angetragen. Die Distanz ist vermutlich größer als geschätzt. Das schwere TUG fällt über 250 Meter stark ab. Ohne Entfernungsmesser hätte ich den Schuß verweigern sollen. Hans lacht, aber er spottet nicht und lädt mich ein, es morgen allein zu versuchen.

Um halb fünf klettere ich auf den Ansitz. Wenige Minuten später bummelt ein Sechser bis auf 80 Meter heran. Er ist tabu. Auf entferntes Hundegebell springt er ab.

Zwei Hasen spielen im Gras, ein Hahn gockt in der Wiese, vier Enten streichen vorbei. Es geht gegen sieben Uhr, da taucht am Horizont ein Haupt aus dem Grase auf. Ein Schmalreh? Als es näher kommt, werden zwei Knöpfe im Bast sichtbar.

Auf den Schuß ruft Hans am Handy an, wünscht Weidmannsheil und freut sich angesichts des Jahrlings über den Abschuss. "Sog nix, dass du bei mir an Bock gschossn host. Sunst lodt die neamd mehr ei" feixt er beim Abschied.


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