COME IN  GARDEN  ARTICLES  HOME AMS -GmbH / Notiz 5
Markt und Murks

Roman Obrovski

Die Unternehmen, die Six Sigma durchführen, finden heraus, dass die überwältigende Mehrheit der Fehler während des Designprozesses geschaffen wird
MIKEL HARRY / RICHARD SCHROEDER



Wer nach dem Rückzug des ersten Reform-Papiers des Bundes gehofft hatte, dass der überarbeitete Entwurf den Wünschen der Länder und Sozialpartner Rechnung tragen würde, sieht sich getäuscht.

Auch der neue Entwurf zielt unbeirrt auf die Rückverstaatlichung des AMS, auf die Re-Zentralisierung maßgeblicher Entscheidungen und auf die Ausschaltung der Sozialpartner. Die angekündigte "Föderalisierung" entpuppt sich als Farce: Auf die Plätze der Landesgeschäftsführer im Direktorium sollen die Länder nachrücken. An die Stelle der Landesgeschäftsführer aber treten weisungsgebundene "Filialprokuristen", die nicht dem Direktorium, sondern der zentralen Geschäftsführung unterstellt sind. Das Direktorium kann also nur weisungsgebundene Funktionsträger beraten und wird damit zu einem leicht entbehrlichen Organ, zum Blinddarm der GmbH.


 
 

Von der Vision zur Illusion

Bezeichnend für den unternehmensfernen Charakter dieser Reform ist, dass ausschließlich Machtfragen [Eigentümerschaft] und juridisch-politische Aspekte [Bundeshaftung, Rechtsform] thematisiert werden. Wie das AMS sich besser auf dem Arbeitsmarkt positionieren, wie es seine Dienste effektiver, effizienter, flexibler und innovativer gestalten kann: über diese Kernfragen schweigt der weitschweifige Entwurf sich aus.

Anläßlich der Ausgliederung 1994 war es die Vision des AMS, zum "modernsten Dienstleistungsunternehmen Österreichs" zu werden. Unbestritten ist, dass das dezentralisierte AMS seither große Fortschritte zum Servicebetrieb gemacht hat. Wie ein rückverstaatlichtes, re-zentralisiertes AMS effektiver und effizienter werden soll, bleibt das Geheimnis der Reformer.

Auch wenn Argumente gegen diesen Murks verlorene Flaschenpost sind, will ich sie äussern. Das bin ich dem unternehmungslustigen Selbstverständnis schuldig, das viele AMS-MitarbeiterInnen in den letzten Jahren entwickelt haben und von dem sie sich vielleicht bald wieder verabschieden müssen.

Zurück in die Zukunft...

Was beim Design in eine Organisation eingebaut wird, läßt sich auf operativer Ebene nicht mehr ändern. Eine zentral gesteuerte hundertprozentige GmbH des Bundes wird eine zentral gesteuerte, hundertprozentige GmbH des Bundes sein.

Beteuerungen, dass das AMS an der kurzen Leine eines Ministeriums dynamischer und leistungsfähiger, ja "privatisiert" wird, sind als grobe Beleidigung des gesunden Menschenverstandes zu klassifizieren.

Erfolgreiche moderne Großunternehmen setzen auf flexible, dezentrale Profit-Center. Sie steuern das Gesamtunternehmen mithilfe von Zielen, Erfolgskontrollen, Qualitätsoffensiven und Leistungsanreizen.

Die Autoren des jüngsten Reform-Papieres hingegen setzen unverdrossen auf die ihnen vertrauten, anachronistischen Steuerungsformen bürokratischer Institutionen: auf die Konzentration von Entscheidungen, auf zentrale Vorgaben, auf Richtlinien und Weisungen.

...statt Prozessoptimierung

Ginge es bei der geplanten Reform tatsächlich um die Verbesserung der Geschäftstätigkeit des AMS, müßte die Diskussion an den Geschäftsprozessen ansetzen: Was ist zu tun, um sie zu optimieren?

Zur Realisierung dieses Zieles tragen Veränderungen der Rechtsform und der Eigentümerschaft in der Regel nichts bei, weil Design und Optimierung von Prozessen Aufgaben der Geschäftsführung sind. Die geplanten Veränderungen beim AMS jedoch werden tief in die Prozesse des Unternehmens eingreifen.

Klare Hinweise dazu liefert die Machtkonzentration beim Alleingesellschafter Bund. Die Sozialpartner dürfen an der Generalversammlung nur ohne Stimmrecht teilnehmen. Der Alleingesellschafter behält sich unter anderem die Bestellung der Geschäftsführer und Prokuristen, die Genehmigung von Richtlinien sowie Weisungsbefugnisse gegenüber den Geschäftsführern vor (vgl. § 9 der Umwandlungs- und Errichtungserklärung). Die Kompetenzen des Aufsichtsrates sind im Vergleich dazu mager und die Landesdirektorien sind bloße Arabesken.

Verpasst der Gesetzgeber dem AMS tatsächlich das Korsett dieser Bundes-GmbH, werden Führungskräfte und MitarbeiterInnen nicht nur wie bisher Richtlinien beachten müssen. Sie werden vielmehr - wie vor 1994 - politische Weisungen zu befolgen und politische Bocksprünge mitzumachen haben, statt entlang strategischer Ziele Erfolge auf dem Markt zu suchen.

Teure Restauration

Diese famose Reform ist nichts als die Restauration der alten Arbeitsmarktverwaltung zu höheren Kosten: der Doppeladler an der Spitze - Bundesgeschäftsstelle und Ministerium - bleibt unangetastet. Gegen massiven, aber offenbar vergeblichen Widerstand holt der Bund sich das 1994 aufgegebene Durchgriffsrecht zurück. Die GmbH ist der Paravant, hinter dem der Marionettenführer Bund agiert. Vor 1994 hat die Politik sich wenigstens offen zu ihrer Verantwortung für das Unternehmen bekannt.

Die Wiedereinführung des politischen Durchgriffs auf die Geschäftsführung beendet die operative Selbständigkeit des AMS. Damit wird ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Unternehmens ausgelöscht. Politische Eingriffe in die Geschäftstätigkeit haben ein Unternehmen noch nie erfolgreicher gemacht.

Prognose

Nach vollzogener Restauration wird das AMS gewiss nicht zusammenbrechen. Die Organisation kann geraume Zeit von Verbesserungen aus vergangenen Jahre zehren:

    von der Zielsteuerung

    vom entwickelten Controlling

    vom TQM-Projekt

    von vielen lokalen und regionalen Innovationen.

Neue Leute werden da und dort auch neuen Schwung einbringen. Ein excellentes Unternehmen aber, das gestatte ich mir zu prognostizieren, wird diese AMSGmbH nicht werden. Das lässt ihr Design nicht zu.



29. August 2001



Brief an Christoph Leitl - 6. 10. 2000
AMS GmbH / Notiz 1 - 3. 2. 2001
AMS GmbH / Notiz 2 - 10. 2. 2001
AMS GmbH / Notiz 3 - 25. 3. 2001
AMS GmbH / Notiz 4 - 8. 4. 2001
AMS GmbH / Notiz 6 - 24. 11. 2001

 
 
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