"Nationale Alleingänge"

26. 02. 2016

Deutscher Innenminister vor EU-Rat: Nationale Alleingänge sollten unterbleiben

[STANDARD ONLINE 25. 02. 2016]

Diesen Appell hat der deutsche Innenminister nicht an die Adresse seiner Kanzlerin, sondern an Österreich gerichtet.

Anlass dazu war eine Konferenz, in der es Österreich gelungen ist, neun weitere Staaten für eine gemeinsame Vorgangsweise zur Eindämmung der asiatisch-afrikanischen Immigration auf der Balkanroute zu gewinnen.

Dieser Erfolg der österreichischen Außenpolitik ist das Gegenteil eines "nationalen Alleingangs". Eine auch nur annähernd vergleichbare Kooperation haben bisher weder Deutschland noch die EU-Kommission zustande gebracht.

Umgekehrt:

Merkel hat mit ihrem Alleingang die EU in ihre bisher größte Krise gestürzt. Sie ist nicht bereit, ihren Fehler politisch wirksam zu korrigieren. Sie beharrt auf einem Lösungsansatz, der vor allem Deutschland von Zuwanderern entlasten soll, aber Umstände voraussetzt, die ich für unrealistisch halte:

1. Weder die Türkei noch Griechenland sind von sich aus interessiert, anhaltend verlässlich oder fähig, die asiatisch-afrikanische Immigration in die bevorzugten Zielländer der EU einzudämmen.

2. Kaum ein EU-Land wird sich von Deutschland die Aufnahme von unerwünschten Einwanderern aufzwingen lassen.

3. Die Migranten selbst wollen bekanntlich weder nach Laibach, Tallin oder Pressburg, sondern nach Wien, Berlin, Köln oder Stockholm.

Die Türkei und Griechenland wollen sich ihre Kooperation aus unterschiedlichen Motiven teuer abkaufen lassen und erpressen Mitteleuropa in der Schlüsselrolle, die maßgebliche EU-Politiker ihnen unverständlicher Weise einräumen.

Wie Estragon und Wladimir in Beckets "Warten auf Godot" kommen mir daher jene vor, die auf die "europäische", genauer: auf die "türkisch-griechische" Lösung warten, die Merkel seit Monaten verheißt. Godot kommt bekanntlich nicht.

Wenn es zu einer Eindämmung der islamisch geprägten Immigration aus Asien und Afrika kommt, dann nur, weil die davon betroffenen Staaten die Sache selbst in die Hand nehmen, statt vergeblich auf die Güte Dritter zu setzen.

Fatalisten und Menschen, die ein Monopol auf Humanität beanspruchen, halten jede Eindämmungsmaßnahme für "vergeblich" oder für "unmenschlich".

"Vergeblich" sind solche Maßnahmen nachweislich nicht: Australien beweist das seit Jahren und die entschlossene Vorgangsweise Österreichs in Kooperation mit seinen Nachbarstaaten führt bereits zu einer Verdünnung des Andrangs.

Wie betroffene Staaten mit dem unvermeidbaren Rest an illegaler Einwanderung umgehen, entscheidet darüber, ob das Zielland auf der Liste der Einwanderer bleibt oder nicht: Belohnen sie illegale Einwanderung mit einem "Bleiberecht" oder weisen sie illegale Migranten, die nicht unter die Genfer Konvention fallen, ab?

Ist es human oder kurzsichtig, dem überbordenden Bevölkerungswachstum - auf dieser UNO-Seite kann man alle Länder dieser Welt nach ihrem Bevölkerungswachstum durchklicken - ein unkontrolliertes Ventil in das dicht besiedelte Europa zu öffnen?

Ich halte das für kurzsichtig.

Statt Anomie und einen cultural clash in Europa zu riskieren bin ich dafür, diese Länder zu nötigen und zu unterstützen, ihre Probleme auf eigenem Territorium zu lösen.

28. 02. 2016

Ein lesensenwertes Interview hat Michael Ignatieff, ehemaliger Vorsitzender der Liberal Party in Kanada, der "Presse" gegeben:

Darin fällt u.a. der Satz: "... ein geschickter, ehrlicher Politiker ist ein großer Segen für ein Land".

Diese Charakterisierung trifft m. E. in der Immigrationsfrage auf unseren jungen Außenminister zu.

Wenn ich mich nicht täusche, ist er nach Raab, Kreisky und Haider die nächste größere Begabung in Österreichs Politik.

Im Unterschied zu Haider - ein brillianter Dialektiker, aber selbstverliebt und an Provokation mehr interessiert als an nachhaltiger Gestaltung - ist Kurz zurückhaltend und kann Konsens.

Ich hoffe, er hält sich in der Politik. Neider, Hasser und gefährliche Feinde hat er mittlerweile ja wohl genug.



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