COME IN GARDEN ARTICLES HOME | Zur Zukunft der Arbeitsmarktpolitik Das AMS kann nicht verhindern, dass Menschen arbeitslos werden. Es sorgt dafür, dass sie es nicht bleiben. Roman Obrovski |
Den anschließenden Beitrag habe ich auf Einladung der Sozialplattform Oberösterreich für deren "Rundbrief 10/2003" verfaßt. |
Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigungspolitik Zielsetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist die Erleichterung und Beschleunigung der Ausgleichsprozesse auf dem Arbeitsmarkt. |
Die Existenzsicherung und Vermittlung Arbeitsloser durch öffentliche Dienstleister ist in vielen Ländern Europas wesentlich älter als die von Gösta Rehn und Rudolf Meidner in Schweden Anfang der 1950iger Jahre ausformulierte aktive Arbeitsmarktpolitik. Erst 1969 sind die damaligen österreichischen Arbeitsämter mit der Umsetzung des nach schwedischem Vorbild geschaffenen Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG) betraut worden. 1994 wurde das AMFG weitgehend vom Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) abgelöst. |
Erreicht werden soll dieses Ziel vor allem durch Optimierung der Information von Arbeitsuchenden und Stellenanbietern über Angebot und Nachfrage, durch aktive Unterstützung des Ausgleichs in Form von Beratung und Vermittlung sowie durch die Förderung von Arbeitsuchenden und Betrieben zwecks Anpassung an neue Anforderungen des Marktes. Arbeitsmarktpolitik in diesem Verständnis ist eingebunden oder wäre einzubinden in eine Politik, die konsequent das Ziel der Vollbeschäftigung verfolgt. |
Vollbeschäftigung hieße, dass alle arbeitsfähigen und arbeitswilligen Personen produktiv beschäftigt sind oder sehr rasch eine produktive Beschäftigung finden. Mit einer Arbeitslosenquote von drei Prozent im Jahresdurchschnitt nach traditioneller Messung galt in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts dieses Ziel in Österreich als erreicht. |
Einfluß auf die Beschäftigung haben von der Steuer- und Zinspolitik über die Lohn- und Arbeitszeitpolitik bis zur Einwanderungspolitik sehr viele Politikfelder. Was in diesen Politikfeldern geschieht oder unterlasssen wird, kann die Arbeitsmarktpolitik nur ergänzen, mildern oder verstärken, nicht aber ersetzen. Was leistet der "zweite Arbeitsmarkt"? Dennoch haben nicht wenige Politikverantwortliche seit dem Ende der Episode der Vollbeschäftigung |
Das kapitalistische Wirtschaftssystem produziert permanent Arbeitslosigkeit in alten und Beschäftigung in neuen Betätigungsfeldern. In den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war die systembedingte Arbeitslosigkeit in der "sozialen Marktwirtschaft" so niedrig wie nie zuvor. Rückblickend war diese Episode der Vollbeschäftigung in Mitteleuropa eher ein Geschenk schwer wiederholbarer Umstände (Wiederaufbau, Mangel an Arbeitskräften, Eiserner Vorhang) als das Ergebnis einer besonders klugen, sozialen Politik. Das Machtvakuum nach dem Bankrott der Sowjetunion hat die verhaltenen Kräfte des Kapitals weltweit neu entfesselt. Die Arbeitslosigkeit ist seither in vielen Ländern Europas auf Marken gestiegen, wie wir sie aus früheren Perioden der Wirtschaftsgeschichte kennen und verharrt vielerorts mit nur geringen Schwankungen auf hohem Niveau. |
versucht, die Verantwortung für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit gänzlich an die Arbeitsmarktpolitik zu delegieren - ob aus Hilflosigkeit oder Kalkül sei dahingestellt. Kurioser Weise haben gesellschaftskritische Kräfte diese Weglegungspolitik unreflektiert geteilt und in oft aggressiver Weise die Rückkehr zur Vollbeschäftigung primär von den Verantwortlichen der Arbeitsmarktpolitik gefordert. Wie irreführend diese Forderung ist, zeigt das Schicksal des sogenannten "zweiten Arbeitsmarktes". Von manchen Enthusiasten als Ausgleich für mangelnde Arbeitsplätze im "ersten" Arbeitsmarkt angedacht, ist diese Überfrachtung der Arbeitsmarktpolitik m. E. völlig gescheitert. Kein Land der Welt hat in den "zweiten Arbeitsmarkt" so viel investiert wie Deutschland. Dennoch hat Deutschland die Arbeitslosigkeit nicht nur nicht gesenkt, sondern mit dieser Strategie vermutlich mehr Langzeitarbeitslose produziert, als bei einer anderen Allokation der Fördermilliarden erreichbar gewesen wäre. |
Mein Urteil ist nur das Urteil eines Praktikers, der unterschiedliche arbeitsmarktpolitische Strategien aus seiner unmittelbaren Erfahrung vergleicht. Wissenschaftlich mögen diese Frage Berufenere untersuchen. |
Warum? Sozialökonomische Betriebe sind notwendig als Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation. Sie sind Hilfsangebote für Personen, die arbeitsfähig, in ihrer aktuellen Verfassung aber nicht auf marktabhängige Arbeitsplätze vermittelbar sind. In Oberösterreich finanziert das AMS mit Unterstützung des Landes zu diesem Zweck jährlich einige Hundert Transitarbeitsplätze. Die sozialpolitische Bedeutung dieser Arbeitsplätze ist groß, ihr beschäftigungspolitischer Effekt klein. Wollte man den Beschäftigungseffekt dieser Arbeitsplätze steigern, müßten viel mehr Mittel für zuschußbedürftige Betriebe und Projekte eingesetzt werden. Das AMS OÖ konzentriert seinen Mitteleinsatz jedoch seit Jahren auf die Verbesserung der marktorientierten Kompetenzen der Arbeitskräfte, nicht auf die Subventionierung von wenig produktiver Arbeit. Erlangen sozialökonomische Betriebe oder Projekte Bedeutung über ihre Rehabilitationsfunktion oder über eine zeitlich eng begrenzte Aktion hinaus, können und müssen sie umgehend in eine selbsttragende Tätigkeit münden. Im Unterschied zur laufenden, marktorientierten Qualifizierung fördert die Subventionierung von Arbeit nicht die Ausweitung produktiver Beschäftigung. Im Gegenteil: Sie löst ständig steigende Kosten aus, die anderswo umso härter erarbeitet werden müssen. Was trägt die Arbeitsmarktpolitik zum Ziel der Vollbeschäftigung bei? Je rascher Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ausgeglichen werden, je rascher und treffsicherer Betriebe und Arbeitsuchende sich an neue Herausforderungen anpassen, umso kürzer dauern die systemimmanenten Episoden der Arbeitslosigkeit, umso höher ist die Wertschöpfung und umso niedriger die Arbeitslosenquote. Zu den erfreulichsten Erfahrungen seit der Ausgliederung des AMS aus dem Bundesdienst im Jahre 1994 zählt: der klassische, systemkonforme Ansatz der aktiven Arbeitsmarktpolitik konnte in der neuen Rechtsform viel mehr Potential im Dienst der Vollbeschäftigungspolitik entfalten, als die alte, zentralisierte Arbeitsmarktverwaltung unter ministerieller Weisung je leisten konnte. Bei vergleichbarer Vormerkdauer wie 1994 würde Oberösterreich im ablaufenden Jahr 2003 keine Arbeitslosenquote von 4,4%, sondern eine Quote von 5,1% erzielen. |
Die fiktive Quote ist sehr konservativ berechnet, und zwar: wie würde (nur) die Langzeitarbeitslosigkeit (Vormerkdauer >6 Monate) 2003 in Oberösterreich aussehen, gemessen auf Basis der durchschnittlichen Vormerkdauer des Jahres 1994. |
Erfolgskritisch für dieses Ergebnis waren weder eine generelle Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten (der erhöhte Zugang 2003 an Arbeitslosen im Vergleich zu 1994 entspricht etwa dem Zuwachs an Vollzeitbeschäftigungsmöglichkeiten im selben Zeitraum) noch vermehrte Kapazitäten im AMS. Der Personalstand des AMS OÖ ist seit 1994 sogar leicht gesunken. Ausschlaggebend für diesen Erfolg waren vielmehr die permanente Verbesserung AMS-interner Abläufe (qualifizierte MitarbeiterInnen, Prozessorientierung, one-stop-shop, konsequentes Ziel- und Prozesscontrolling, Best-Practice-Transfer, ergebnisorientierte Verbesserungsprojekte...) der höhere Einschaltgrad des AMS bei der Besetzung offener Stellen die Konzentration des Fördermitteleinsatzes auf die marktorientierte Verbesserung der persönlichen Kompetenzen und fachlichen Qualifikationen der Arbeitsuchenden (nicht auf die Finanzierung von Ersatz-Beschäftigung) die Verdichtung der Einstiegszeiten bei Qualifizierungsangeboten für Arbeitslose die enge Kooperation mit dem Wirtschaftsressort des Landes Oberösterreich bei der Planung und Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Hilfestellungen die gestiegene Akzeptanz der aktiven Arbeitsmarktpolitik bei Unternehmern und Arbeitsuchenden, bei den Institutionen der Sozialpartner und bei allen maßgeblichen politischen Gruppierungen Ähnliche Ergebnisse weisen fast alle Landesorganisationen des AMS auf. Die weitaus meisten Verbesserungen waren nur möglich, weil die Geschäftsstellen des AMS aufgrund der 1994 gewonnenen Weisungsfreiheit der Landesorganisationen mit einem größeren Maß an Selbständigkeit, Eigenverantwortung und Flexibilität an ihre Aufgaben herangehen konnten. Kreativität und Leistung des gesamten Unternehmens sind infolge der Ausgliederung bei tendenziell leicht sinkendem Personalstand maßgeblich gewachsen. Die Ausgliederung des AMS zählt somit zu den erfolgreichsten Unternehmungen der Verwaltungsreform. Sie belegt anschaulich, wie zweckmäßig die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips bei der Einrichtung öffentlicher Institutionen ist. Wie geht´s in den nächsten Jahren weiter? Eine ernsthafte Alternative zum vorherrschenden Wirtschaftssystem ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: vitaler denn je breitet es sich über den Globus aus. Wenn es keine Alternative zum Kapitalismus gibt, gibt es auch keine Alternative zur aktiven Arbeitsmarktpolitik. Sie kann die systemimmanente Arbeitslosigkeit nicht beseitigen, aber deren Auswirkungen auf die Menschen mildern. Anders gesagt: Das AMS kann nicht verhindern, dass Menschen arbeitslos werden. Es sorgt dafür, dass sie es nicht bleiben. Erfüllt das AMS diese Funktion mehr schlecht als recht, büßt es bei den Systemträgern in Wirtschaft und Politik Akzeptanz ein. Damit läuft die aktive Arbeitsmarktpolitik Gefahr, vor allem zu Lasten benachteiligter MarktteilnehmerInnen (gering Qualifizierte, ältere oder anderweitig benachteiligte Arbeitsuchende) geschwächt oder eliminiert zu werden. In absehbarer Zeit muß die Arbeitsmarktpolitik in Oberösterreich m. E. folgende Aufgaben vordringlich lösen: das Vermittlungspotential durch Erhöhung des Einschaltgrades des AMS, durch treffsichere Vorauswahl, durch beschleunigte Abdeckung der Vakanzen und durch Implacement ausschöpfen die berufliche Grundausbildung für Pflichtschulabgänger im dualen System durch Kooperationen mit anderen Finanzierungsträgern, Ausbildungseinrichtungen und Betrieben sichern (älteren) Arbeitsuchenden mit Vermittlungshindernissen rasch zielführende Angebote zur Verbesserung ihrer Beschäftigungsfähigkeit machen Betriebe bei der Personalentwicklung unterstützen durch Qualifizierungsberatung und Qualifizierungsangebote für Personen, die von Arbeitslosigkeit besonders bedroht sind Die aktive Arbeitsmarktpolitik ist kein systemüberwindendes, sondern ein systemverbesserndes Politikfeld. Wo die Wirtschafts- und Finanzpolitik auf die Beschäftigung nicht Rücksicht nimmt, wo Forschung und Entwicklung unterbelichtet bleiben, wo Betriebe zu wenig innovativ, produktiv und exportorientiert sind, dort kann die aktive Arbeitsmarktpolitik auch wenig ausrichten. Das AMS kann sein Potential nur als Akteur in einem funktionsfähigen politisch-ökonomischen Netzwerk entfalten. Solange die Verantwortungsträger in Politik und Sozialpartnerschaft Oberösterreichs gemeinsam daran arbeiten, die Beschäftigung in ihrem Einflußbereich hoch und die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten, wird auch das AMS Oberösterreich einen nennenswerten Beitrag zu diesem Ziel leisten. 24. Dezember 2003 |
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