18. Juni 2005

[Zinngiessing] Mein bevorzugter Ansitz im heimischen Revier heißt "Im Winkel". Es ist keine Kanzel, sondern ein überdachter Hochstand am Rand eines stillen, abgelegenen Waldstücks. Er schmiegt sich an einen alten Kirschbaum, der ihn gemeinsam mit einer Birke beschattet.

"Im Winkel" gewährt Blick auf eine Fläche, die spitz auf den Jäger zuläuft. Nach Nordosten wird sein Schußfeld von einem nahen Hügel begrenzt. Nach Südwesten öffnet sich das Gelände und fällt entlang des Waldes in Form einer Wiese leicht ab.

An diesen Wiesengürtel schließt sich nach Osten ein Feld, auf dem heuer Gerste steht. Sein dem Hochstand zugekehrter Rand verläuft abgestuft in einer Entfernung von 50 bis 150 Meter. Die Wiese mündet nach etwa dreihundert Metern in den Obstgarten des Zwickelbauern.

Der Ansitz im "Winkel" wird meist durch guten Anblick belohnt. Wild und Jäger schätzen die Ruhe in diesem Teil des Reviers.

Frühmorgens ist neulich ein Altfuchs in etwa 120 Meter Entfernung ausgetreten. Eilig hat er die Wiese durchquert und war in der Gerste verschwunden, bevor ich anlegen konnte. Kurz darauf sind für einige Momente zwei Jungfüchse unter dem Holunder am Wechsel aufgetaucht. Der Bau im mittleren Teil des Waldstücks ist also befahren.

Seither bin ich mehrmals angesessen. Jedesmal habe ich einige Geißen und Kitze gesehen, hin und wieder auch den Einser-Bock, der hier seinen Einstand hat. Die Füchse aber haben sich nicht mehr blicken lassen.

Gegen vier Uhr morgens beziehe ich heute erneut Position. Links von mir lehnt die Querflinte, rechts die Büchse. Eine "Kombinierte" habe ich bisher nicht vermißt.

Zur Linken tritt wenige Meter vom Ansitz entfernt ein Schmalreh aus und bummelt auf die Gerste zu. Rechts, in über zweihundert Meter Entfernung, äst die Geiß, die zwei Kitze führt.

Dann steht plötzlich ein Jungfuchs im Winkel, gut dreißig Meter entfernt. Die Flinte. Er fällt, klagt, verstummt. Noch bewegt sich im Anschuß das Gras. Ich bleibe im Halbanschlag. Da sehe ich aus dem Augenwinkel den Altfuchs austreten. Suchend äugt er in die Richtung des Schusses. Zu weit für die Flinte.

Wenn ich jetzt zur Büchse greife, wird er die Bewegung sehen, flüchten. Kommt er näher? Ja! Warum verharrt er? Im nächsten Augenblick taucht er vielleicht in der Gerste unter.

Auf den Schuß saust er mit erhobener Lunte zurück in die Dickung. Der Entfernungsmesser behauptet 60 Meter bis zum Anschuß.

Soll ich mir doch eine "Kombinierte" zulegen? Vermutlich hätte Geduld genügt. Vielleicht wäre der Altfuchs über kurz oder lang auf der Spur des Jungen aus der Gerste vor mir aufgetaucht... Vielleicht... wäre... hätte...

Epilog 19. 06.2005

Aufgrund meines Berichts hat der Jagdleiter heute Nachmittag eine Baujagd organisiert. Ergebnislos. Aber: Poldis Terrier hat den Fuchs gefunden, den ich in der Morgendämmerung für den Altfuchs gehalten und beschossen habe. 80 Meter vom Anschuß entfernt ist er in der Dickung gelegen: ein dunkler, außerordentlich kräftiger Jungfuchs.

Die erhobene Lunte hätte mir Anlass zur Nachsuche sein müssen. Das doppelte Weidmannsheil mit diesem Lapsus hat mich zwei Flaschen Wein gekostet.

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Am 1. 7. erlege ich im Winkel einen dritten Jungfuchs, ebenfalls mit der Flinte und am 17. 7. mit der Kugel den vierten.


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