23. 7. 2010 | Beim Treiben | |||
Eine historische Ansicht über die Rehbrunft Man hat lange darüber gestritten, und selbst jetzt sind noch nicht alle Jäger gleicher Meinung, zu welcher Zeit die Rehe brunften. Der größere Theil behauptete zwar immer, daß im Monath December die wahre Rehbrunft sey; andere aber hielten den Monath August für die Brunftzeit, weil die Rehböcke alsdann die Schmalricken stark treiben und sie wirklich auch beschlagen. In neueren Zeiten aber hat man, durch oft wiederholte Untersuchung, gefunden, daß durch die freylich merkwürdige Begattung im August, wobey sich die Schmalricken, aber nur gezwungen, dem geilen Bock ergeben, keine Befruchtung erfolgt. In der Tracht, oder Gebärmutter vieler vom August bis December geschossenen Rehe fand man niemahls die Spur einer wirklich vollzogenen Befruchtung, dagegen ließ sich dieselbe schon zu Ende Decembers und in Januar bey den meisten untersuchten Ricken deutlich bemerken. Es ist daher keinem Zweifel mehr unterworfen, daß die Rehbrunft im Monath December sey, zu welcher Zeit sich die Ricke auch ohne große Ziererey dem Bocke ergibt, welcher nicht, wie der Edel- und Damhirsch, von einem Rudel zu andern schwärmt, sondern gewöhnlich demjenigen treu bleibt, in dessen Gesellschaft er bisher lebte. Sind mehrere Böcke beym Rudel, oder sind Böcke in der Gegend die kein Rudel haben, so beginnt, bey der Afterbrunft im August, ein hartnäckiger Kampf, wobey nicht selten ein Theil auf dem Platz bleibt, oder gefährlich verwundet wird. Bey der eigentlichen Brunft im December aber können diese Kämpfe nicht gefährlich werden, weil die Böcke zu dieser Zeit ihr Gehörn abgeworfen, oder weiche Kolben haben, womit sie sich nicht schaden können. Auch geben die Rehböcke, weder in der wirklichen, noch in der Afterbrunft, irgend einen Laut von sich. Nur die Schmalricke, welche im August vom Bocke, oft bis zur Ermattung, herum getrieben wird, läßt zuweilen ein ängstliches Fiepen hören. Diesen Ton, welcher auf einem steifen Blatte, oder auf einem eigends dazu verfertigten kleinen Instrumente nachgeahmt werden kann, benutzt der Jäger, um den Bock im August heran zu locken... Georg Ludwig Hartig, Lehrbuch für Jäger und die es werden wollen, Wien und Tübingen, 1812
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Heute morgen habe ich mich für den Akaziensitz entschieden. Ich überblicke von dort das halb abgeerntete Feld zur Linken besser als vom Einser-Sitz aus. Gestern abend habe ich das Haupt des von Hannes beschriebenen Bocks im Feld gesehen. Er hat geperlte Stangen und eine tiefe Stimme, ließ sich aber nicht herauslocken. Im Gegenteil: er zog tiefer ein und tat sich nieder.
Der Himmel ist bedeckt. Der Regen, der für morgen angesagt ist, kündigt sich an. Es ist kühler als am Vortag. Die Gelsen und Bremsen sind weniger lästig. Beim Aufbrechen des Bocks vorgestern abend haben mich Schwärme von hornissengroßen Bremsen attackiert.
Um 0430 Uhr quert gemächlich ein Keiler das Feld zur rechten Hand. Ich nehme ihn ins Visier, aber verzichte schweren Herzens auf den Schuss. Ich muss um spätestens 1100 Uhr in Wien sein. Ich könnte ihn allein weder transportieren noch schnell genug versorgen. Warum konnte er nicht gestern auftauchen?
0500 Uhr. Neue Bewegung kommt auf. Eine Geiß bricht aus dem Weizen in den abgemähten Teil des Feldes, hinter ihr ein Bock. 200 bis 250 Meter.
Ich hebe das Glas. Er ist es.
Die Geiß zieht Kreise, Achterschlingen, der Bock dicht hinter ihr. Sie fiept, kommt näher. 150 Meter. Ich folge dem Treiben mit dem Zielfernrohr. Die beiden scheinen unermüdlich.
Da verhofft der Bock. Die Geiß hält ebenfalls inne, etwa 20 Meter entfernt vom Bock.
Er bricht im Schuss zusammen, verschwindet im Stoppelstroh. Die Geiß flieht nicht. Sie starrt auf die Stelle, an der ihr Freier soeben noch gestanden hat.
Mehrere Male vollführt sie in Richtung des Anschusses eine Scheinäsung. Dann nähert sie sich mit zaghaften Schritten, bleibt aber auf Distanz.
Ich steige ab. Sie nimmt mich nicht wahr. Erst als ich mit dem Auto aufs Feld fahre, springt sie ab und taucht im Weizen unter. Auf Anhieb finde ich den Bock nicht. Ich klettere auf die Ladefläche und halte Ausschau. Da!
Ein Bock im besten Alter. Jünger als ich aus der Entfernung vermutet habe. Die verschwenderische Perlung täuscht ein stärkeres Gehörn vor. Bin gespannt, wie die Altersschätzung durch Zoltan ausfallen wird.
Sein letzter Bissen ist ein Ahornzweig. Dann breche ich ihn auf. Aus etwa 150 Meter Entfernung beobachtet mich die Geiß bis zur Abfahrt.
Der Bock ist zerwirkt und gekühlt verladen, das Jagdbuch ergänzt, Zoltan verständigt. Das Haus ist aufgeräumt und ich bin gewaschen und reisefertig. Ich werde rechtzeitig in Wien sein. |
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Horrido! |
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