COME IN GARDEN ARTICLES CHARIVARI HOME | Nicht warten, handeln! Von Spielräumen und Grenzen regionaler Arbeitsmarktpolitik am Beispiel Oberösterreichs
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Dieses Statement zur 10-Jahresfeier der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung in Linz wurde für eine Publikation der Kepler-Universität in die vorliegende Form gebracht (9/1997). |
Im Global Village ist eine Region wie Oberösterreich gut beraten, nicht auf Lösungen von oben und außen zu warten, sondern zu handeln wie ein Stadtstaat. Spielräume Die Diskussion über Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik wird oft beherrscht von der Kritik an entfernten Mächten, deren Aktionen oder Unterlassungen sich nachteilig auf den regionalen Arbeitsmarkt auswirken. Der Logik dieser Betrachtung folgend muß daher auch jede Verbesserung entweder von außen kommen oder das Resultat einer erfolgreichen Abschottung sein. Das heißt: erst wenn Wien eine bessere Wirtschaftspolitik macht; wenn Brüssel endlich Beschäftigungspolitik betreibt; wenn eine Weltregierung das frei flottierende Finanzkapital unter Kontrolle gebracht haben wird - dann, ja dann wird es besser werden und unsere kleine Voralpenwelt wird wieder heil. Oder aber, sollten diese wünschenswerten Ereignisse nicht so rasch eintreten, dann igeln wir uns halt ein und sperren die böse Welt aus. Wir verhängen Schutzzölle und lassen keine schnurrbärtigen Ausländer mehr herein. Natürlich wird der Arbeitsmarkt und die Einkommensentwicklung in Oberösterreich von Kräften beeinflußt, die sich unserer Kontrolle entziehen wie das Wetter. Aber so wenig Sinn es macht, über den Regen zu jammern, statt sich einen Schirm zu besorgen, genauso infantil wäre es, fortwährend das Kapital, Wien, Brüssel, Gott und die Welt für unsere Probleme verantwortlich zu machen und mißlaunig auf Hilfe von oben und außen zu warten, statt selbst aktiv zu werden. Handeln kann man auf allen Ebenen. Anhand einiger Beispiele aus Oberösterreich möchte ich verdeutlichen, was arbeitsmarktpolitisch auf regionaler Ebene möglich ist, wenn einige Prinzipien gelebt und nicht nur gepredigt werden.
Wege zum Erfolg Oberösterreich weist eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit unter den Regionen Europas auf. Das ist weder Zufall noch das Resultat spektakulärer Einzelmaßnahmen. Es ist Ausdruck einer wirtschaftlichen und politischen Kultur, die seit Jahrzehnten durch Weltoffenheit, Leistungsorientierung und durch Zusammenarbeit geprägt ist. Das Arbeitsmarktservice Oberösterreich versteht sich als aktives Element dieser Kultur. 1. Beginnen wir mit der Weltoffenheit: Oberösterreich lebt von der Globalisierung. Unsere industriellen Leitbetriebe sind zu siebzig bis neunzig Prozent exportorientiert und weltweit aktiv. Das ist ein hartes, aber außerordentlich bildsames und einträgliches Geschäft. Der Erfolg dieser Betriebe kommt dem ärmsten Sozialhilfeempfänger in Linz zugute, weil diese Stadt sich Sozialhilfe leisten kann. Wer ernsthaft meint, daß die Arbeitsmarkt- und Einkommenslage in Oberösterreich besser wäre, wenn unsere Leitbetriebe dem Weltmarkt fern blieben, sehe sich um in der Welt. Die Auswirkungen einer erfolgreichen Abschottungspolitik sind am besten in Nordkorea und in Albanien zu studieren. Das AMS OÖ steht der Globalisierung daher positiv und dem Strukturwandel offensiv gegenüber. Wir sind offen für neue Ideen und Entwicklungen in der Arbeitswelt. Konkret: Sind Arbeitsplätze gefährdet, zielt der erste Reflex der Betroffenen und der Politik meist auf ihre Erhaltung. Bei einer kurzfristigen Auftragsschwankung ist das zweckmäßig, bei technischen Veränderungen oder bei neuen Marktverhältnissen aber wird diese Einstellung rasch fatal. Die Mumifizierung von Arbeitsplätzen ist ein teures, aber völlig aussichtsloses Unterfangen. Eine Politik, die sich auf die Erhaltung morbider Verhältnisse konzentriert, statt nach neuen Chancen zu suchen, schadet den Menschen. Das AMS OÖ gibt konservativen Bestrebungen in der Arbeitsmarktpolitik daher nicht nach. Das AMS OÖ hat vielmehr Arbeitsstiftungen propagiert, eingerichtet und gefördert. Das AMS unterstützt den Strukturwandel sozialverträglich und hilft jedes Jahr Tausenden Oberösterreichern, in neue Berufsfelder umzusteigen. Ein anderes Beispiel: Das AMS OÖ hat die Arbeitskräftebereitstellung nie undifferenziert bekämpft. Mehr Flexibilität im Arbeitseinsatz läßt sich mit arbeitnehmerfreundlichen Regelungen durchaus verknüpfen. Mit ESPORA haben wir 1993 eine gemeinnützige Arbeitskräftebereitstellerfirma ins Leben gerufen. Sie hat in Oberösterreich zur Zeit 270 Arbeitskräfte unter Vertrag, ist zum Vorbild für Nachfolgeprojekte in ganz Österreich geworden, und zählt mittlerweile zu den größten Personalbereitstellern Österreichs. Ohne Scheuklappen bilden wir auch TelearbeiterInnen aus, betreiben ein Gründerprogramm, arbeiten an Jobrotation-Projekten, an einem gemeinnützigen Homeservice. Neuderdings beschäftigen wir uns mit dem Versuch, nach dem Vorbild von Bartergeschäften Arbeit auf dem Tauschweg zu schaffen. Experimentelle Arbeitsmarktpolitik ist unverzichtbar in einer Welt, die sich stürmisch entwickelt. 2. Was bedeutet das Prinzip der Leistungsorientierung in der Arbeitsmarktpolitik? Nicht herzlose Härte, sondern die Erwartung, daß jeder gesunde und arbeitsfähige Mensch grundsätzlich selbst für sich verantwortlich ist und die Solidarität anderer nur in Ausnahmesituationen in Anspruch nimmt. Das AMS OÖ ist in diesem Punkt sehr konsequent. Am Vermittlungsschwerpunkt etwa halten wir unter allen Umständen unbeirrt fest. Dies führt manchmal zu Konflikten mit Betrieben, Personen oder Politikern, die uns aus anderen Interessenslagen mit anderen Erwartungen konfrontieren: Betriebe, die ihre Arbeitskräfte regelmäßig bei uns parken wollen, einzelne Arbeitsuchende, die sich auf die Solidarität der Beitragszahler mehr verlassen, als auf die eigene Initiative, Politiker, die meinen, das AMS verfüge über einen Goldesel. Oft scheint es einfacher, solchen Erwartungen nachzugeben, da sie häufig mit sozialen Motiven unterlegt werden. Dennoch werden wir nicht müde, bei solchen Anlässen höflich aber unmißverständlich klarzustellen, daß wir eine arbeitsmarkt-bezogene Dienstleistungseinrichtung mit glasklaren Zielen sind. Arbeitslosengeld ist keine Quasi-Pension, kein Ersatz für familienpolitische Unterstützung und kein Surrogat der Studienbeihilfe. Unsere Leistungen sind Leistungen für Menschen, die aktiv und nachweislich Arbeit suchen. Zur Erleichterung anderer Lebenslagen sind andere Einrichtungen gefordert, auch wenn es vielen Intervenienten bequemer scheint, solche Probleme in das AMS abzuschieben. Das AMS OÖ hat sich zum Beispiel nie mit der Krisenregionsverordnung abgefunden, im Gegenteil: wir haben diese vorzeitige Ausgrenzung älterer Arbeitskräfte zu Lasten der Arbeitslosenversicherung als Zeitbombe gegen das Solidaritätsprinzip eingestuft, wir haben ihre Abschaffung betrieben und sie schließlich erreicht. Das Ergebnis: die Arbeitslosigkeit der über 50jährigen war in Oberösterreich seither rückläufig. Wenn kapitalkräftige Unternehmen dennoch nicht davon lassen, ältere Arbeitskräfte zu Lasten der öffentlichen Hand systematisch freizustellen, ist energische politische Gegensteuerung erforderlich. 3. Ich komme zum dritten Prinzip, dem Prinzip der Zusammenarbeit: Wenn das AMS Oberösterreich zur Realisierung seiner Ziele die Zusammenarbeit mit allen relevanten Kräften auf regionaler Ebene sucht, so ist dies weder Ausdruck von Standpunktlosigkeit noch sentimentaler Selbstzweck. Zusammenarbeit zu suchen und zu leben ist eine elementare Funktion des AMS. Auseinander fällt alles von selbst. Im Zusammenhalten, in der Integration auseinander driftenden Interessen besteht die Staatskunst. Wer diese Kunst ausübt, gerät freilich unter Beschuß: Polemik, Konfrontation und Gewalt sind weitaus gefügigere Instrumente der Politik. Sie zu gebrauchen ist noch niemand zu dumm gewesen. Zusammenarbeit ist anspruchsvoller, aber unspektakulär. Zuweilen ist Kooperation auch riskant, wenn ein Grenzgänger auf der Suche nach Partnern zwischen die Fronten gerät. Die Beispiele für Zusammenarbeit in der Arbeitsmarktpolitik sind vielfältig. Kooperation beginnt in den Organen des AMS. Im Landesdirektorium des AMS etwa wird anhaltend und zäh um gemeinsame Ziele, Strategien und Schwerpunkte gerungen. Das AMS Oberösterreich pflegt seit vielen Jahren besonders die Zusammenarbeit mit dem Wirtschafts- und Sozialressort des Landes Oberösterreich. Wir paktieren alljährlich ein gemeinsames Beschäftigungsprogramm, dessen Ausrichtung von aktuellen Entwicklungen geprägt ist, auf absehbare Zeit daher von Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Im Forum aktive Arbeitsmarktpolitik diskutieren Land, AMS und Sozialpartner spezielle Fragen der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik in Oberösterreich und organisieren gemeinsame Veranstaltungen zu bestimmten Schwerpunkten. Darüber hinaus gibt es eine Vielfalt von Projekten, Bildungseinrichtungen und Institutionen auf Landes-, Bezirks- und Gemeindeebene, mit denen das AMS laufend oder anlaßbezogen kooperiert. Die Kontakte von MitarbeiterInnen des AMS reichen von der Schuldnerberatung bis in die Vorstandsetagen weltweit tätiger Industriekonzerne, von Kommissionen auf Ebene der EU bis zu Frauenprojekten in entlegenen Gemeinden. Es gibt kaum eine andere öffentliche Einrichtung, die mit so vielen Aspekten des Lebens befaßt wird und daher mit so vielen Organisationen, Einrichtungen und Initiativen vernetzt ist wie das AMS. Grenzen Ein regional tätiger Arbeitsmarktpraktiker hat einen geographisch, budgetär und personell beschränkten Aktionsradius. Er zerbricht sich weder den Kopf der Regierung noch spielt er sich als Sozialingenieur auf, der sich anschickt, die Welt zu retten. Nüchtern konzentriert er sich darauf, seinen Marktflecken im Global Village bestmöglich mitzubewirtschaften. Seine Aufgabe ist nicht die eines Bedenkenträgers. Im Gegenteil: Er hat die Menschen seiner Region zur Wahrnehmung und zur Annahme neuer Herausforderungen zu ermutigen und sie dabei rasch und bestmöglich zu unterstützen. Dazu hat er die Entwicklung des Marktes, der ökonomischen und der politischen Rahmenbedingungen wachsam zu verfolgen. Von manchen Ereignissen (oder Unterlassungen) in Politik und Ökonomie wird er freilich genau so überrascht (oder nicht überrascht) wie andere Bürger. Kreative Selbsthilfe in der Region hat ihre Grenzen, dennoch gibt es zu ihr keine Alternative. Keine Region kann Prosperität und Wohlstand von Wien, Brüssel oder der Weltbank erwarten. Auch wenn das Niveau der Beschäftigung in der Region den Einflüssen entfernter Kraftfelder unterliegt: die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik auf Landesebene ist durch keine wie immer geartete Hilfe von außen zu ersetzen, sofern mit einer realen Unterstützung überregionaler Instanzen überhaupt zu rechnen ist. Elemente regionalen Erfolgs sind nach wie vor: die Kooperation der maßgeblichen Akteure, Innovationsfreudigkeit in Wirtschaft und Politik und Konsequenz bei der Verfolgung strategischer regionaler Ziele. Weder Aktionismus noch Forderungen, sondern Beharrlichkeit auf diesem Weg sichern Oberösterreichs Zukunft. Von der Industrie kann die Politik auch in diesem Punkt lernen: Erfolgreiche oberösterreichische Industriebetriebe praktizieren KVP dh einen kontinuierlichen Verbesserungsprozeß. Dabei geht es den Ingenieuren und Managern darum, ein Produkt oder einen Prozess laufend zu optimieren. Ihre unbeirrte Arbeit nach klaren Zielen und strengen Qualitätsmaßstäben ist eine Voraussetzung dafür, daß ihre Produkte hin und wieder mit einem qualitativen Sprung überraschen, der als Innovation Furore macht. Auch in der regionalen Arbeitsmarktpolitik muß das Rad nicht jeden Tag neu erfunden werden. Völlig unnütz sind grelle Gags. Solange das AMS seine Ziele konsequent, aber mit offener Aufmerksamkeit verfolgt, solange es den Prinzipien der Weltoffenheit, der Leistungsorientierung und der Zusammenarbeit treu bleibt, solange wird das AMS seinen Beitrag leisten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Oberösterreich und dabei fallweise Innovationen einbringen. September 1997 |
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