COME IN GARDEN ARTICLES HOME | Interview zur Initiative "Für Oberösterreich" |
Wir brauchen ein Klima, in dem sich engagierte Köpfe wohlfühlen, das ist die Verantwortung der Politik |
Unter dem Titel “Die Arbeit wird uns nicht ausgehen" haben die Oberösterreichischen Nachrichten am 19. August 2009 das nachfolgende Interview veröffentlicht |
OÖN: Sie begründen Ihr Eintreten für das Manifest “Für Oberösterreich" damit, im politischen Wettbewerb seien Aufgeschlossenheit und Kreativität gefordert, nicht Borniertheit und Gehässigkeit. Woran konkret machen Sie diese Borniertheit und Gehässigkeit fest? Obrovski: Sagen wir es lieber umgekehrt: Gerade jetzt sind die positiven Seiten der Oberösterreicher gefragt, die Leute aus anderen Regionen an uns wahrnehmen: Wir kommen rasch auf den Punkt, sind offen, kooperativ und verirren uns nicht in ideologischen Haxlbeißereien. OÖN: Als Leiter des Arbeitsmarktservice Oberösterreich agieren Sie im politiknahen Bereich. Da werden Sie ein Erlebnis im Kopf gehabt haben, wenn Sie die Situation beklagen? Obrovski: Manches läuft zuweilen zäher als zu Leitls und Freyschlags Zeiten. Die Diskussionen um den “Pakt für Qualifizierung und Arbeit", den Land und AMS in Abstimmung mit den Sozialpartnern beschließen, sind mühsamer. Es gibt mehr Reibereien. OÖN: Weil die Präsidenten von Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer, Rudolf Trauner und Johann Kalliauer, nicht so gut miteinander können wie Leitl und Freyschlag? Obrovski: Das müssen Sie die beiden fragen. Mein Eindruck ist: Parteipolitik spielt im Verhältnis der Sozialpartner eine größere Rolle als in den 90er-Jahren. OÖN: Die Sozialpartner agieren in Ihren Gremien als Aufsichtsrat. Da ist auch der lange Arm der Parteipolitik spürbar. Schränkt das ihre Arbeit ein? Bremst sie? Obrovski: Im Landesdirektorium ist das weniger spürbar. Im AMS verfügen die Sozialpartner nach wie vor über Problemlösekapazität. OÖN: Als Auslöser der aktuellen Krise gilt die Finanzkrise in den USA. Wie schätzen Sie diese Krise ein? Obrovski: Ich sehe darin einen Wendepunkt. Wir erleben nicht nur eine Konjunktur-, sondern eine Strukturkrise. Es ist unwahrscheinlich, dass wir in den nächsten Jahren die gleichen Produkte in der gleichen Menge, mit der gleichen Technologie, zu den gleichen Kosten herstellen und in denselben Märkten zu denselben Preisen verkaufen können wie zuvor. Die Verteilung von Arbeit und Wohlstand auf der Welt wird sich verändern. Nicht automatisch zugunsten des Westens. OON: Zu diesem Nachfrageeinbruch wäre es Ihrer Ansicht nach auch ohne dem Platzen der Immo-Blase gekommen? Obrovski: Ja, vermutlich nur nicht so scharf und schnell. Schon lange gibt es Anzeichen dafür, dass das Verbrennen fossiler Energie nicht der letzte Schluss von Ökonomie und Technik ist. Das Ende des Wachstums auf dieser Basis hat der Club of Rome bereits 1972 thematisiert. Inzwischen sind alternative Technologien und Mobilitätskonzepte vorangekommen. OÖN: Ist aus Ihrer Sicht schon verhindert, dass sich Ähnliches wieder ereignen könnte? In der Finanzwelt gewinnt man den Eindruck, dass nach einem kurzen Durchschütteln alte Handlungsmuster wieder fröhliche Urständ feiern. Obrovski: Die Krise hat viele Komponenten. Ein Hauptpunkt ist das ungezügelte Kreditwesen. Viele Menschen haben ungedeckte Wechsel auf die Zukunft gezogen. Nun werden mithilfe des Staates die Kosten kreditfinanzierter Fehlinvestitionen vielfach auf Unbeteiligte überwälzt. Die opulenten Bankenhilfspakete scheinen Lernprozesse geradezu zu hemmen. Die liberalen Ökonomen sind diesbezüglich kritischer als die Keynesianer. Sie halten staatliche Hilfe für Bankrotteure für nicht systemkonform. OÖN: Dagegen stand das Gesetz: “Too big to fail". Der gesamtwirtschaftliche Schaden wäre also größer gewesen, wenn große internationale Banken Pleite gegangen wären. Obrovski: Gewiss, das ist der große Widerspruch: Wie kriegt die Politik das Finanzwesen in den Griff, wenn das Finanzwesen die Politik im Griff hat? Zunächst gab es starke Ansagen auf europäischer Ebene. Jetzt sollten Taten folgen. OÖN: Und da sind Sie hoffnungsvoll? Obrovski: Mir macht Hoffnung, wenn die Vertreter der Realwirtschaft wie Christoph Leitl auch für eine Tobin-Tax (internationale Steuer auf Gewinne aus Finanzspekulationen, Anm.) eintreten. OÖN: Kommen wir zum Themenbereich Arbeitsmarkt: In diesem Jahr lernt ein Berufseinsteiger-Jahrgang den Arbeitsmarkt als einen abgeschlossenen Kosmos kennen, in dem man abgelehnt wird, in den man nicht hineinkommt. Was sagen Sie denen? Obrovski: Der weitaus größte Teil der Jugendlichen wird auch heuer eine Lehrstelle finden. Wem dies nicht gelingt, dem bieten wir einen alternativen Ausbildungsplatz an. OÖN: Dennoch: Allein in Oberösterreich hätten gern 10.000 Jugendliche einen Lehrplatz und bekommen keinen. Dazu kommen die Maturanten, die in erste Jobs wollen. Obrovski: Unsere Hauptproblemgruppe sind jene, die keine schulische oder berufliche Ausbildung abgeschlossen haben. Das sind meist Personen mit Migrationshintergrund, denen es selten an Begabung, sondern an Integrationschancen gefehlt hat. Hier hilft Qualifizierung. OÖN: In anderen europäischen Ländern ist schon länger von der “Generation Praktikum" die Rede, in der sich junge gut Ausgebildete von einem Praktikum oder Projekt zum nächsten hanteln und keine durchgehende Beschäftigungsbiografie aufweisen. Wird das auch in Österreich ein Massenphänomen? Obrovski: Wir sehen das nicht. Wenn ein Berufseinstieg über Praktika gelingt, ist das nicht zu verteufeln. Man lernt Firmen und Leute kennen und kann sich überall etwas Nützliches aneignen. Wir bieten derzeit selbst solche Praktika für arbeitslose HTL-Absolventen an. Sie erhalten eine Ausbildung im Projektmanagement, machen den Business-Führerschein in Englisch und absolvieren einen Auslandsaufenthalt. Dann fördern wir ein fünfmonatiges Praktikum als Forschungsassistent. Damit unterstützen wir auch Unternehmen, die in Forschung investieren. Als exportorientiertes Bundesland brauchen wir Forscher und Techniker, wenn wir gestärkt und nicht geschwächt aus der Krise herauskommen wollen. OÖN: Im Herbst ist das große Fragezeichen, wie es nach den ersten Kurzarbeitswellen weitergeht. Kommt es ab Oktober zu einer Kündigungswelle? Obrovski: Mit einem Tsunami rechnen wir nicht, aber mit einem weiteren Anstieg. Bevor neue Produkte entwickelt und verkauft werden und für Arbeit sorgen, werden Kostensenkungsprogramme das Gegenteil bewirken. OÖN: Nach mehreren Jahren des Beschäftigungswachstums wurde dieses Plus an neuen Jobs binnen weniger Monate wieder aufgefressen. Haben wir langfristig genug Arbeit für die Erwerbsfähigen? Obrovski: Die Arbeit wird uns nicht ausgehen. Arbeit ist die Quelle des Wohlstands. Versiegt diese Quelle, versiegt auch der Wohlstand. Im Gegenteil: Wir werden uns anstrengen müssen, wenn wir wie bisher 50 Prozent unseres Wohlstandes auf den Weltmärkten lukrieren wollen. Problematisch finde ich in dem Zusammenhang den neuerlichen Run auf die Frühpensionen. Kurzfristig entlastet das zwar den Arbeitsmarkt, aber wir schieben die Lasten sehenden Auges auf die nächste Generation. Das ist nicht fair. OÖN: Minister Hundstorfer hat mit seinem jüngsten Vorstoß, Überstunden unattraktiver zu machen, um diese in zusätzliche Jobs zu verwandeln, die Debatte um eine Neuverteilung der Arbeit neu angestoßen. In die richtige Richtung? Obrovski: Die Auftragseingänge vieler Unternehmen sind zurzeit sehr volatil: einmal hoch, einmal wenig, selten kontinuierlich. Unternehmen brauchen daher Flexibilität, also Zeitkonten. Der Wunsch nach dauerhaft zu leistenden Überstunden kommt meiner Wahrnehmung nach nicht von den Unternehmen. |
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