COME IN  GARDEN  ARTICLES  CHARIVARI  HOME Innovative Arbeitsmarktpolitik
Statement bei der Armutskonferenz 2000

Roman Obrovski



Zusammenfassung meines Statements bei der Armutskonferenz am 23. und 24. 10. 2000 in Salzburg auf Wunsch von Martin Schenk für die Publikation der Konferenz.


 
 

Was ist eine Innovation?

Arbeitsmarktpolitische Innovationen sind in meinem Verständnis neue, treffliche Antworten auf neue oder alte Herausforderungen.

Innovative Arbeitsmarktpolitik setzt voraus, dass Herausforderungen wahrgenommen und dazu Ideen produziert werden. Erst die Umsetzung einer Idee aber ist der Prüfstein, wie innovativ sie zur Bewältigung einer Herausforderung wirklich ist.

Innovation ist kein Zufall. Innovation entspringt oft einem unspektakulären, kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der sich hin und wieder zu qualitativen Sprüngen steigert, die als Innovationen wahrgenommen werden. Immer mehr Unternehmen pflegen einen bewusst gesteuerten Innovationsprozess, so auch das Arbeitsmarktservice Oberösterreich.

Innovative arbeitsmarktpolitische Ansätze in den 70iger und 80iger Jahren

Aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich hat ihren Ursprung in der Zeit der Vollbeschäftigung: ab Ende der sechziger Jahre ging es in erster Linie darum, friktionelle Arbeitslosigkeit zu verringern, die Mobilität der Arbeitskräfte zu fördern und neue Potentiale für die ungesättigte Nachfrage nach Arbeitskräften aufzuschließen.

Nach dem Ende der Vollbeschäftigung in den 80iger Jahren war die Arbeitsmarktpolitik mit einer ganz anderen Situation konfrontiert: mit einem tiefgreifenden Strukturwandel, mit wachsender Arbeitslosigkeit und in der Folge mit einer zunehmenden Zahl von Personen mit geringer Chance auf (Wieder)beschäftigung.

Lange und folgenschwer setzte die Politik auf zwei Defensivstrategien: Betriebe sollten Arbeitskräfte entweder über Bedarf (weiter)beschäftigen und/oder ArbeitnehmerInnen über 50 wurden massenhaft zum Vorruhestand animiert.

Offensive Strategien mit innovativen Ansätzen hatten es schwer, gegen diese zähe, konservative Mentalität aufzukommen: die Kreation und Ausweitung von Qualifizierungsprogrammen, Arbeitsstiftungen, Jobcoaching oder die Organisation von gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten und sozialökonomischen Betrieben stießen auf heftiges Mißtrauen und Ablehnung. Sie waren lange Zeit beliebte Objekte politischer Polemik und sind manchen Kreisen bis heute suspekt geblieben.

Innovative Arbeitsmarktpolitik in den 90iger Jahren

Offensive und innovative Vorgangsweisen haben sich in den 90iger Jahren dennoch durchgesetzt. Heute ist unübersehbar: Regionen, die im abgelaufenen Jahrzehnt arbeitsmarktpolitische Innovationen rascher und breiter als anderswo umgesetzt haben, haben Arbeitslosigkeit rascher und nachhaltiger verringert als Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit weniger intensiv und weniger innovativ bekämpft wurde.

Das AMS Oberösterreich hat in den neunziger Jahren in enger Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsressort des Landes

    umfassende, nachfragegerechte Trainings- und Qualifizierungsprogramme für Arbeitslose und Beschäftigte umgesetzt

    ein differenziertes Netz an Hilfestellungen für besonders betreuungsbedürftige Personen initiiert, finanziert und zur Professionalisierung geführt

    die Langzeitarbeitslosigkeit konsequent bekämpft und

    unkonventionelle Ansätze wie gemeinnütziges Personalleasing (seit 1994) verfolgt.

Laut WIFO hat Oberösterreich damit die Arbeitslosigkeit stärker gesenkt, als vom Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum her zu erwarten war.

Ende September 2000 zum Beispiel waren in Oberösterreich nur 0,7% aller Arbeitslosen langzeitarbeitslos (bundesweit:10,5%), der Anteil der NotstandshilfebezieherInnen betrug 35% (bundesweit: 46,3%). Im Jahresdurchschnitt 2000 wird Oberösterreich Kopf an Kopf mit Salzburg erstmals seit 1945 die niedrigste Arbeitslosenquote aller Bundesländer zwischen 4 - 4,1 Prozent aufweisen.

Neue Herausforderungen

Aktuell verändert sich das Szenario auf dem Arbeitsmarkt erneut in Richtung Vollbeschäftigung. Doch es gibt wichtige Unterschiede zum Beschäftigungssystem der siebziger Jahre. Die alte Vollbeschäftigung war charakterisiert durch

    Dominanz von Industrie- und Gewerbe

    einen hohen Arbeiter- und Männeranteil

    stabile Dienstverhältnisse

    Verwertbarkeit beruflicher Qualifikationen über lange Abschnitte eines Arbeitslebens

    geringe, jedoch zähe Arbeitslosigkeit

Die neue, dynamische Vollbeschäftigung zeichnet sich aus durch

    Dominanz des Dienstleistungssektors

    sinkende Arbeiteranteile

    wachsende Frauenbeschäftigung

    instabilere Dienstverhältnisse

    sinkende Halbwertszeit beruflich verwertbarer Qualifikationen

    starke Bewegung auf dem Arbeitsmarkt (häufigere, aber kürzere Perioden der Arbeitslosigkeit)

Für die Arbeitsmarktpolitik bedeutet dies u. a.

    Frauen besondere Hilfestellungen beim (Wieder)eintritt ins Berufsleben zu bieten

    personen- und marktgerechte Um-, Nach- und Weiterschulungsangebote für Arbeitsuchende und Beschäftigte breiter, rascher und betriebsnäher anzubieten als bisher; dies gilt besonders für den IT-Bereich und für andere expansive Branchen

    neue Kundengruppen zur Abdeckung der Arbeitskräftenachfrage im ganzen EU-Raum gezielt anzusprechen

    die Informations- und Beratungstätigkeit für Jugendliche und Erwachsene auszuweiten und zu individualisieren

    das bestehende Netz für besonders unterstützungsbedürftige Arbeitsuchende weiterzuentwickeln und zur Prävention von Langzeitarbeitslosigkeit und zur Pflege nachhaltigerer Beschäftigungsverhältnisse einzusetzen.

Die neuen Strategien erfordern vom AMS u. a. eine Umwuchtung seiner Ressourcen zu offensiven Dienstleistungen für Unternehmen und für veränderungswillige Beschäftigte. Die verstärkte Nutzung des Internets und das Agieren auf dem europaweit gewordenen Arbeitsmarkt wird darüber hinaus in den nächsten Jahren zu einer Selbstverständlichkeit für Betriebe, Arbeitsuchende und Arbeitsmarktdienstleister werden.

Dezember 2000


 
 
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