COME IN  GARDEN  ARTICLES  CHARIVARI  HOME Aktuelle Entwicklungen im AMS
Ein Interview

Roman Obrovski



Nach sechs Jahren steht das AMS am 10. Oktober 2000 erneut auf der Tagesordnung eines Ministerrates. Welche politische Entscheidung dabei fällt ist zur Zeit unbekannt. Der einzige Beitrag, den die Führungskräfte und MitarbeiterInnen selbst zur Weiterentwicklung des AMS leisten können, besteht darin, das AMS von einem guten zu einem exzellenten Unternehmen zu machen (Interview mit der MitarbeiterInnenzeitung des AMS Burgenland, Juli 2000).


 
 

Seit der Ausweitung von TQM auf alle Landesorganisationen gehen im AMS Begriffe um wie Benchmarking, Best Practice. Neuerdings ist die Rede von Balanced Scorecard und Prozessmanagement. Welchen Zweck hat es für das AMS, sich mit all diesen Themen auseinander zusetzen?

Will das AMS eine Hauptrolle auf dem Arbeitsmarkt spielen, müssen seine Geschäftsstellen von Arbeitsuchenden und Betrieben als regionale Kompetenzzentren für Arbeitsmarktdienste wahrgenommen werden. Dazu genügt es nicht, traditionelle Aufgaben brav zu erledigen. Die Auswirkungen des Informationszeitalters revolutionieren den Dienstleistungssektor. Erfolg und Bestand kann das AMS im neuen Umfeld nur haben, wenn wir rascher und treffsicherer als gewerbliche Konkurrenten innovative, bedürfnisgerechte Dienste anbieten. Dazu sind Arbeitsweisen und Steuerungsmethoden erforderlich, die vor 10 oder 15 Jahren noch weitgehend unbekannt waren. Um innovativ zu sein, müssen wir die Kreativität im Unternehmen fördern.

Was verstehen Sie darunter?

In einem so großen Unternehmen wie dem AMS gibt es innovative MitarbeiterInnen in allen Bundesländern, in allen Geschäftsfeldern und auf allen Ebenen. Nutzen wir diesen Umstand doch stärker zum Vorteil unseres Unternehmens!

Wie soll das geschehen?

Die Assessments zeigen, wie selbstkritisch und verbesserungsfreudig die MitarbeiterInnen des AMS überall sind. Der nächste Schritt sollte darin bestehen, Innovation und Verbesserung im AMS so in den Alltag zu integrieren, wie dies die Industrie seit langem durch KVP, Kaizen etc praktiziert. Prüfen wir in kleinen Experimenten - da kann nie viel verhackt werden -, ob neue Ideen zu mehr Kundenzufriedenheit, zu besserer Zielerreichung oder zu niedrigeren Kosten führen. Ist das der Fall, dann sorgen wir dafür, dass die neue Praxis oder das neue Produkt so rasch wie möglich in die Fläche kommt.

Das klingt einfach...

...ist aber oft mühsam umzusetzen. Welche Arbeitsweise kann zum Beispiel beim Abgang von Langzeitarbeitslosen in Arbeit als Best Practice gelten? Welche Gesichtspunkte halten wir dabei für wesentlich aus der Interessenslage der Kunden (Zufriedenheit), der Eigentümer (Zielvorgabe), der Wirtschaftlichkeit (Budgeteinsatz)? Welche Kennzahlen brauchen wir, um diese Gesichtspunkte abzubilden? Wie rasch können wir die zielführendste Vorgangsweise identifizieren, um sie zeitgerecht , dh während des laufenden Arbeitsprogramms, in die Fläche zu bringen? Ist eine bestimmte Vorgangsweise tatsächlich für alle RGSn gleich gut geeignet? Wie gehen wir mit Widerständen um, die der Übernahme von Best Practice manchmal entgegenstehen? Wie schaffen wir ein Klima, in dem der gemeinsame Erfolg im Mittelpunkt steht, nicht die Sonderinteressen einzelner Abteilungen/Geschäftsstellen? In Oberösterreich befasst sich derzeit ein TQM-Konzeptteam mit diesen Fragen. Innovation und Orientierung an Best Practice sollen zu Kernelementen der Unternehmenskultur werden. Die dabei geforderte Kunst besteht darin, ein gewisses Maß an kreativem Chaos zuzulassen, zugleich aber Benchmarking zu betreiben und andere Qualitätstechniken einzusetzen, um die zielführendsten Vorgangsweisen laufend zu identifizieren. Dabei hilft uns das Konzept der Balanced Scorecard.

Was ist darunter zu verstehen?

Eine Scorecard ist ein Berichtsbogen mit Kennzahlen. Die Balanced Scorecard enthält die "richtigen" Kennzahlen im richtigen ("balanced") Verhältnis zueinander. Bei den Kennzahlen unterscheidet dieses Konzept zwischen Ergebniskennzahlen (zb Zahl der E-Buchungen) und sogenannten performance drivers, das sind Kennzahlen, die sich auf vermutete zielführende Aktivitäten beziehen (zb Zahl der Betriebsbesuche). Entscheidend bei der Konstruktion einer BSC ist, dass Strategie, Ziele, Ergebniskennzahlen und performance drivers durch überprüfbare Wenn-dann-Beziehungen verknüpft werden. So sind aus der Vielfalt möglicher Kennzahlen die "richtigen" zu identifizieren. Die vorläufige BSC des AMS OÖ auf LGS-Ebene enthält 51 Kennzahlen aus allen Geschäftsfeldern einschließlich der Zielindikatoren des Arbeitsprogramms. Die BSCs aller RGSn stehen im U-Laufwerk. Benchmarks sind grün, zielgefährdende Abweichungen rot unterlegt. Das soll den RGS-LeiterInnen auch die Kommunikation untereinander über erfolgreiche Vorgangsweisen erleichtern. Ein Ranking der RGSn mithilfe der BSC nehmen wir nicht vor. Das wäre kontraproduktiv.

Müssen alle MitarbeiterInnen in Oberösterreich sich 51 Kennzahlen merken?

Natürlich nicht. Für MitarbeiterInnen und AbteilungsleiterInnen sind nur die Kennzahlen für ihr Geschäftsfeld von unmittelbarem Interesse. LGF und RGS-LeiterInnen aber müssen sich anhand der BSC den Überblick bewahren, um rechtzeitig steuernd eingreifen zu können. Sie werden dabei unterstützt von unserem Controlling-Team, das auf LGS-Ebene bereichsübergreifend zusammengesetzt ist und dem nach einem Rotationsverfahren immer 2 RGS-LeiterInnen angehören. Unsere BSC steht im Probelauf und wird sich vermutlich in den nächsten Monaten im Detail verändern.

In welchen Punkten wird es Änderungen geben?

Einige Kennzahlen stehen in Diskussion. Andere Tatbestände, die uns erfolgskritisch erscheinen, können wir zur Zeit nicht zufriedenstellend messen, wie zum Beispiel die Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen. Die Kundenzufriedenheitswerte auf Basis des Dienstleistungsscreenings sind zu wenig aktuell. Vor allem sind unsere Kennzahlen aber funktional gegliedert, dh sie sind bestimmten Organisationseinheiten zugeordnet, statt Prozessen.

Macht die Zuordnung von Kennzahlen zu Prozessen statt zu Organisationseinheiten in der Praxis wirklich einen Unterschied?

Einen entscheidenden, wie wir meinen. Ein Prozess ist eine zielführende Vorgangsweise, die vom Kunden zum Kunden führt. In einer prozessorientierten Organisation ist der Prozess wichtiger als die funktionale Gliederung. Die Aufbauorganisation muss sich dem Prozess anschmiegen. Vor allem Teilprozesse aber ändern sich oft rascher als es möglich ist, die Aufbauorganisation an ihnen auszurichten. In diesem Fall hat der Prozess Vorrang vor der Aufbauorganisation , dh der Prozesseigner hat im Konfliktfall das letzte Wort, wenn die Kennzahlen Handlungsbedarf signalisieren. Das Leitbild einer solchen Organisation ist nicht die BUREAUCRACY, also eine feste Struktur mit fixen Zuständigkeiten, sondern die ADHOCRACY, das ist eine Arbeitsgemeinschaft, die nicht starr sondern beweglich an neue Herausforderungen herangeht und sie daher auch besser bewältigt. Mit den Haupt- und Kernprozessen des AMS befasst sich mittlerweile auch eine bundesweite Projektgruppe.

Ist eine konsequente Prozessorientierung im AMS überhaupt möglich? Stehen dieser Absicht nicht die komplizierte Entscheidungsbildung in der Organisation und die Einwirkungen der Politik entgegen?

Auch private Unternehmen haben Eigentümer mit besonderen oder wechselnden Interessen, auch sie sind fortwährend mit Änderungen des Umfelds und des Marktes konfrontiert. Es ist nicht Aufgabe der Eigentümer, sondern Sache und Risiko der Geschäftsführung, Mission, Strategie und Ziele des AMS aus den Vorgaben der Eigentümer abzuleiten, sie mit Kennzahlen zu verknüpfen, zielführende Prozesse zu identifizieren und intern zu kommunizieren. Seit 1994 haben wir dazu viel mehr Spielraum. Nicht das Umfeld, sondern unser Engagement, unsere Kreativität und unser Teamgeist entscheiden über unseren Erfolg.


 
 
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