Ein Jahr Trump |
20. 01. 2018 Wunschdenken und Kontinuität Kommentare zum ersten Jahrestag dieser Präsidentschaft fallen - wenig überraschend - überwiegend kritisch "Ein Jahr Achterbahnfahrt", "Anfang vom Ende der US-Hegemonie" bis deftig "Der Wahnsinn an der Macht" aus. Der STANDARD frägt "Waren die Ängste berechtigt?" und verweist darauf, dass kaum eine der zum Teil apokalyptischen Voraussagen / Befürchtungen eingetroffen ist. Die Wirtschaft boomt und Trump ist trotz aller troubles immer noch im Amt. Die weitaus größte Befürchtung im Establishment der USA, der EU und der Lohnschreiber war, dass Trump eine strategische Wendung im Verhältnis zu Russland einleitet: Wladimir Putin kann mit dem Jahr 2016 zufrieden sein. Sein Favorit wurde zum amerikanischen Präsidenten gewählt, und wie die US-Geheimdienste nun bestätigen, hat die russische Führung durch ihre Hacker selbst zu diesem Wahlergebnis beigetragen. Und wenn Putin-Bewunderer Donald Trump jetzt auch noch den langjährigen Putin-Freund und -Geschäftspartner Rex Tillerson, den Exxon-Mobil-Chef, zum Außenminister macht, dann hat Moskau sein Traumpaar an der Spitze der bisher so lästigen Supermacht stehen [Eric Frey im STANDARD am 11. 12. 2016] Trump freilich hat nicht - wie während des Wahlkampfs angekündigt - regime-change-Aktionen der USA in aller Welt zurückgefahren und mit Russland im Interesse weltweiten Friedens kooperiert. Du meine Güte! Ganz im Gegenteil. Trump hat zusätzlichen Sanktionen für Russland zugestimmt. Er droht Nordkorea mit der atomaren Auslöschung. Er wütet gegen den Iran. Er verprellt die arabische Welt mit der Verlegung der Botschaft nach Jerusalem. Er will Waffen in die Ukraine liefern. Dazu passend hat US-Kriegsminister James Mattis soeben eine neue Militärdoktrin verkündet: Nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten des Anti-Terror-Kampfes sollen sich die US-Streitkräfte stärker auf Russland und China konzentrieren. Die beiden Staaten seien eine wachsende Bedrohung [Handelsblatt, 20. 1. 2018] Das Verhältnis der USA zu Russland ist also wieder so erfreulich schlecht, wie die kalten Krieger es sich vor einem Jahr nicht hätten träumen lassen. Da haben sie noch den ärgsten Frieden befürchtet. Was hat sich wirklich geändert? Fazit: In nahezu allen Bereichen überwiegt auch in der Ära Trump ein hohes Maß an Kontinuität in der Politik der USA. Was sich geändert hat, ist die Darstellung dieser Politik: Trump poltert, rüpelt und rumort durch alle Felder politischen Handels. Verbal. Faktisch hat der Deep State aber auch ihn fest im Griff. Trump ist dem Establishment nur peinlich. Obama hingegen war ein so außerordentlich einschmeichelmder Verkäufer der US-Politik, dass ihm ein verzücktes, umnachtetes Komitee den Friedensnobelpreis verliehen hat. Post Scriptum "Trump spaltet das Land. Das ist nach meiner Meinung ein sehr kritischer Punkt. Darauf aber gehst du nicht ein" Dieser Einwand kommt nicht von einer Person, die Trump, Putin, Erdogan, Kurz und Orban verächtlich in einem Atemzug nennt. Ich versuche daher, darauf zu antworten. Woran ist erkenntlich, dass ein Land "gespalten" ist? Genauer: Wodurch unterscheidet sich ein "gespaltenes" Land von einem Land, in dem unterschiedliche Gruppierungen unterschiedliche Interessen verfolgen und einander im Rahmen demokratischer Verfahren als politische Gegner behandeln? Allgemein lässt sich dazu vielleicht sagen: Ein Land erscheint gespalten, wenn politische Unterschiede maßgeblicher Gruppen in unversöhnliche Gegensätze umschlagen; wenn Verständigungsversuche erfolglos bleiben und gänzlich der Polemik weichen; wenn politische Kompromisse unmöglich werden; wenn gewaltsame Auseinandersetzungen drohen / stattfinden oder gar in einen Bürgerkrieg münden. Mir fallen nur wenige Staaten ein, in denen es nicht fallweise zu gewaltsamen Auseinandersetzung kommt, etwa im Rahmen von Demonstrationen. Solange Polizei und Gerichte solche Ausbrüche erfolgreich eindämmen und sanktionieren ist das vermutlich der Normalzustand in einer Demokratie. Demonstrationen und Ausschreitungen bei Demonstrationen sind in der Schweiz seltener als in den USA, aber in Nordkorea gibt es anscheinend überhaupt keine Demonstrationen. Ist Nordkorea ein idealer Staat? Sind dort alle Interessen miteinander versöhnt? Oder werden sie mithilfe einer Bunker-Politik ("wir gegen alle") unter Verschluss gehalten? Konkret zu den USA: Sind die aktuellen Auseinandersetzungen in den politischen Institutionen, in den Medien und auf der Straße noch "normal" oder sind sie bedenklicher als vor dieser Präsidentschaft? Um nicht zum amerikanischen Bürgerkrieg oder zu den Indianerkriegen zurück zu gehen: Ich erinnere mich sehr gut an die Ermordung Kennedys, an die vielen, oft gewaltsamen Auseinandersetzungen in den USA im Zusammenhang mit der Bürgerrechtsbewegung und dem Vietnamkrieg. War das Land damals weniger "gespalten" als zur Zeit? Hat etwa Obama die Amerikaner miteinander versöhnt? Ich vermute: mit und ohne Trump waren, sind und bleiben die USA auf Sicht ein Land heftiger Gegensätze. Die US-Bürger stellen überdies immer wieder unter Beweis, dass sie stärker als anderswo dazu neigen, Konflikte mit Gewalt auszutragen. |
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