Soziale Marktwirtschaft - ade |
09. 07. 2017 Irritiert schreibt mir ein befreundeter Politiker, dass die Mehrheit der 18- 35 jährigen einer Erhebung zufolge mit dem Begriff "Soziale Marktwirtschaft" nichts mehr anfangen kann. Ist es nicht erstaunlich, dass einem Politiker das Sorgen bereitet? Seit die Globalisierung ungezähmt über den Planeten fegt, ist die "Soziale Marktwirtschaft" für maßgebliche Akteure ja längst keine leitende Idee mehr. Überhaupt: War die "Soziale Marktwirtschaft" mehr als eine widerwillige Konzession des Kapitals an die westliche Gesellschaft, so lange der Sozialismus den Anschein einer drohenden historischen Alternative erwecken konnte? Ab 1989, nach dem Bankrott des "realen Sozialismus", hat das Kapital diese Konzession jedenfalls sang und klanglos aufgekündigt. Ohne Grenzen und ohne nennenswerte Hemmungen dominiert sein rastloser Verwertungsprozess seither die Weltökonomie und die Weltpolitik. Wie immer: die "Soziale Marktwirtschaft" ist gleichzeitig mit dem Sozialismus von der politischen Bühne abgetreten. Gegen den Sturm der Globalisierung, gegen die „Marktwirtschaft ohne Adjektive“ (Vaclav Klaus) stemmen sich jene, die davon nicht profitieren / davon benachteiligt werden. Die Gewinner der Globalisierung bezeichnen diese Menschen gern als „Modernisierungsverlierer“. Diese Verlierer agieren nicht entlang einer starken alternativen Idee, einer „Großen Erzählung“, wie der Sozialismus eine war: diese Erzählung hat ihre Attraktivität und Überzeugungskraft im Lauf des 20. Jhdts eingebüßt. Erstaunlich ist nur, wie vergleichsweise friedlich der Reale Sozialismus abgedankt hat. Erstaunlicher noch, dass er in China gar unter dem Logo von Hammer und Sichel in den Kapitalismus transformiert wurde / wird. Diese Transformation ist m. E. polit-technisch bewundernswert und war / ist vermutlich nur in einem Staat möglich, in dem kühles Herrschaftswissen seit 3.000 Jahren ungebrochen kultiviert wird. Mangels einer solchen Idee manfestiert sich der Widerstand gegen die "Marktwirtschaft ohne Adjektive" daher in Formen, die von den Gewinnern als „Rückfall“, als „Nationalismus“, „Populismus“, „Protektionismus“, „Fremdenfeindlichkeit“ etc gebrandmarkt werden. Tatsächlich nimmt dieser Widerstands da und dort bedenkliche Formen an. Die reaktionärste und wüsteste Form des Protests ist wohl die Resurrektion des religiösen Fanatismus im islamischen Kulturkreis. Im Match zwischen Gewinnern und Benachteiligten der Globalisierung steht es derzeit ungefähr 10:1. Die Auseinandersetzung wird nach meiner Wahrnehmung jedoch heftiger und verläuft an vielen Fronten. Kann die Idee der "Sozialen Marktwirtschaft" zu einer Kraft werden, diese Protest-Formen aufzuheben, also zu ersetzen und zugleich ihre akzeptablen Momente zu bewahren? Kann sie zur Resultante von auseinander strebenden Vektoren werden? Ich weiß es nicht. Genauer: ich bezweifle es. Solange es keine Persönlichkeiten in der Politik gibt, die diese Hoffnung explizieren, sie glaubhaft und zumindest im Ansatz erfolgreich verkörpern und andere Menschen dafür gewinnen / dafür begeistern können - so lange wird der Widerstand gegen die "Marktwirtschaft ohne Adjektive" reaktionär, zersplittert und somit schwach und folgenlos bleiben. |
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