Russophobie

22.12. 2016

Die FPÖ kollaboriert mit Putins Strategie lautet die Überschrift einer der vielen russophoben Kommentare zum Besuch der FPÖ-Führung in Russland.

Russland als Feindbild funktioniert im Westen Europas seit vielen, vielen Jahrzehnten.

Russland wird als anhaltende Bedrohung des "Westens" dargestellt, so, als hätte die einstige Sowjetunion Nazi-Deutschland überfallen und nicht umgekehrt oder als bedrohte das heutige Russland die EU, statt sich von der Expansion der NATO in den Osten Europas selbst bedroht zu fühlen.

Eine kurze Pause hatte die russophobe Propaganda nach dem Bankrott des Sozialismus und der für Russland katastrophalen Präsidentschaft Jelzins: da schien es, als könnte das im Westen verankerte Kapital auch Russland unter seine Herrschaft bringen.

Russland hat - u. a. im symbolträchtigen Prozess gegen Chodorkowski - klargestellt, dass unter Kooperation nicht die Unterwerfung unter das westliche Kapital zu verstehen ist. Als Symbolfigur dieser Klarstellung gilt Putin. Seither stehen Russland und sein Präsident auf der Feindes- und Diffamierungsliste der westlichen Elite.

"Elite" hat Ron Paul, Republikaner und Kandidat der Libertarian Party für das Amt des Präsidentden der USA 2008 und 2012, so charakterisiert: "Die Leute, die hinter den Kulissen die Regierung kontrollieren, sind immer die gleichen. Und ich denke, dass das für die meisten Regierungen gilt"

Ein Satz, der m. E. eine Realität anspricht, die grundsätzlich für alle Staats- und Regierungsformen gilt: die maßgeblichen Positionen in den Institutionen aller Staaten sind keinem Bürger unmittelbar, sondern nur über die Zugehörigkeit zu starken, konkurrierenden Interessengruppen erreichbar. Die einflussreichsten Mitglieder dieser Interessengruppen bilden in ihrer Gesamtheit die jeweilige "Elite".

So lange innerhalb dieser Elite nur Konkurrenz um Machtpositionen im Rahmen eines übergeordneten gemeinsamen Interesses vorherrscht, vollziehen sich Machtwechsel auf politischer Ebene einigermaßen friedlich. Wenn Widersprüche in der Elite sich aber zu antagonistischen Interessen tief verfeindeter Gruppen auswachsen, wird Bürgerkrieg zur realen Gefahr.

Personen, die maßgebliche Positionen in Staat und Regierung aktuell besetzen und verteidigen, sind die unmittelbar herrschende Teilmenge der Elite. Diesen Teil der Elite verstehe ich unter der Bezeichnung "Establishment".

Ich konstatiere in der westlichen Elite eine wachsende Differenz zwischen Establishment und anderen Elite-Fraktionen, was die Positionen zur Migrations-, zur Europa-, zur Verteidigungs- und zur Politik gegenüber Russland betrifft.

Fraktionen, die für eine strengere Migrationspolitik und für ein Ende der Konfrontationspolitik gegenüber Russland eintreten, gehören derzeit nicht zum Establishment. Im Gefolge des Wahlsieges von Trump könnte sich daran etwas ändern - oder auch nicht, wenn Trump die Wähler mit seinen diesbzüglichen Versprechen belogen hat. Das wird sich bald herausstellen.

Die anhaltende, massive Propaganda des Establishments gegen Trump, gegen Russland und gegen alle politischen Formationen, die eine Europapolitik mit und nicht gegen Russland anstreben, macht jedenfalls klar, dass das Establishment verunsichert ist und mit allen Mitteln um den Erhalt seiner Positionen kämpft.

Die Verteufelung Putins und Russlands ist ein mächtiger Hebel in der Hand des Establishments. Jahrzehntelange russophobe Propaganda haben in der Mentalität der Westeuropäer tief verankerte Klischees und Ressentiments geschaffen, die leicht mobilisierbar sind.

Eine Europa-Politik mit statt gegen Russland scheint mir angesichts der neuen Machtlage in der Welt (aggressiver Islam, demographisch explodierendes Afrika, erstarktes China... ) im Interesse der Europäer: sie sollten zusammenrücken.

Eine derartige Neuorientierung der Europapolitik muss gegen russophobe Ressentiments aufkommen. Das NATO-affine Establishment in Europa schürt diese Ressentiments jedoch heftiger denn je. Ich halte das für kurzsichtig, für politisch brisant und für europafeindlich.



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