Problemlösekapazität Null

07. 10. 2015

Zwei quälende Jahre lang haben Wirtschaftskammer und Gewerkschaft über ein Arbeitsmarktpaket verhandelt, um am Ende genau gar nichts zu beschließen [DER STANDARD 07. 09. 2015]

Seit 70 Jahren beherrscht die Konstellation "VP/SP" die österreichische Politik: Auf Regierungsebene in wechselnden Stärkeverhältnissen und mit nur zwei Unterbrechungen (SP/FP-Regierung 1983-1986 und VP/FP-Regierung 2000-2007). Auf Sozialpartnerebene agieren die bei VP und SP politisch verankerten Sozialpartnerfunktionäre seit 1945 ohne Unterbrechung.

Als ungemein stabile "Nebenregierung" sorgte die rot-schwarze Sozialpartnerschaft für sozialen Ausgleich und sozialen Frieden auch bei wechselnden Stärkeverhältnissen auf parteipolitischer Ebene und bei wechselnden Regierungen.

Seit geraumer Zeit ist die Problemlösekapazität der Sozialpartner jedoch beträchtlich gesunken. BK Schüssel regierte weitgehend ohne sie und packte drängende, sozialpartnerschaftlich aber ungelöste Themen wie Pensionsreform und Budgetsanierung erfolgreich an. Die politische Verantwortung für den Arbeitsmarkt wanderte ins Wirtschaftsministerium, erleichterte der Arbeitsmarktpolitik die Konzentration auf ihr Kerngeschäft und ermöglichte eine im Europavergleich hervorragende Performance.

Schüssel scheiterte bei den Wählern an der begrenzten Regierungsfähigkeit der FPÖ, der Eitelkeit Jörg Haiders und am Korruptionssumpf rund um das Privatisierungsprogramm.

Die nachfolgenden SP/VP-Regierungen haben Schüssels Reformen verwässert und zurückgenommen. Allein bei den Bundesbeamten blieb seine Pensionreform unangetastet. Überall sonst lebten die teuren vorzeitigen Ruhestände unter wechselnden Etiketten wieder auf. Die politische Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik eignete sich erneut der Sozialminister an. Das erschwerte und erschwert die Konzentration des AMS auf sein Kerngeschäft. Soziale und Pensionsprobleme wurden / werden wieder vermehrt ins AMS geschoben (Mindestsicherung, Altersarbeitslosigkeit) und entbehrliche Parallelstrukturen wie das "Jugendcoaching" geschaffen.

Ist es Zufall, dass Österreich (und Oberösterreich) seither in allen Rankings als Wirtschaftsstandort zurückfällt? - Vgl. dazu dazu die Präsentation zu meinem Referat am 18. 9. 2015 im Aufsichtsrat der Business Upper Austria.

Soweit ich sehe:

Die Konstellation "VP/SP" entfaltet keine Dynamik mehr. Beide Seiten scheinen unfähig, in zentralen Politikbereichen einen ergebnisorientierten Dialog zu führen. Sie schaffen es nicht mehr, aus unterschiedlichen bis gegensätzlichen Ansätzen neue, kreative Lösungen zu entwickeln. Vielmehr blockieren sie einander und verwalten so den politischen Stillstand.

Viele Bürger wenden sich daher von den ehemaligen Großparteien ab und setzen ihre Hoffnungen auf andere politische Kräfte. Grüne, LIF, Stronach und NEOS sprachen / sprechen offenbar nur ein jeweils stark begrenztes Klientel an.

Die FP erfreut sich dagegen starken Zuspruchs: trotz negativer Erfahrungen mit der Regierungsfähigkeit ihres Personals in den zwei Kabinetten Schüssel, trotz des politischen und ökonomischen Desasters im Kärnten Jörg Haiders, trotz des Korruptionssumpfes um enge Weggefährten des Kärtner Landeshauptmannes.

Die Verzweiflung der Wähler scheint groß. Viele Österreicher hoffen offensichtlich, dass die FP aus ihren Fehlern und Mängeln gelernt hat und regierungfähiger geworden ist.



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