Was hat die EU mit Südamerika gemeinsam?

17. August 2024

Speak softly and carry a big stick; you will go far

Theodore Roosevelt


Klagen

In einem Artikel in der OON stellt Hermann Sikora, Honorarprofessor für Wirtschaftsinformatik an der JKU Linz, die Frage, ob "wir Europäer" ein ähnliches Schicksal erleiden könnten wie einige Länder Südamerikas. Argentinien zum Beispiel, um 1900 noch ein hoffnungsfrohes Land, habe die Industrialisierung "verschleppt".

Nun vertreibe eine "ideologische Wirtschaftspolitik" der EU Industriebetriebe und behindere das Entstehen neuer Wirtschaftszweige. Vor allem habe Europa die Digitalisierung "verschlafen" und sei nun Konsument "riesiger Digitalunternehmen der USA und Asiens".

Begleitend dazu verweist ein Kommentar auf die aktuelle Kündigungswelle in regionalen Industriebetrieben. Österreich befinde sich "auf dem Weg zur Deindustrialisierung und Disneylandisierung als Tourismusmuseum".

Sikora führt die unerfeulichen ökonomischen Tendenzen in der EU zurück auf Dirigismus, Staatsverschuldung und Populismus. Die Rolle der USA bei der Entwicklung in Südamerika und in der EU sprechen Sikora und der Kommentator nicht an.

Big Stick Policy

Dabei gibt es eine lange, anhaltende und gut dokumentierte Geschichte der ökonomischen Behinderung und politischen Destabilisierung Lateinamerikas durch die USA. Sie beginnt 1904 auf der Basis einer Ergänzung zur Monroe-Doktrin durch Theodore Roosevelt, der Roosevelt-Corollary. Der Widerruf durch Franklin D. Roosevelt hat an dieser Praxis nichts geändert, wie die zahlreichen massiven Sanktionen, militärischen Interventionen und Staatsstreiche mit Unterstützung der USA in Lateinamerika seit Jahrzehnten belegen.

Spielt sich Ähnliches nicht aktuell unter aller Augen und dennoch öffentlich unangesprochen in Europa ab?

Die politisch herbeigeführte Abkopplung der EU von günstiger Energie und von einem riesigen Entwicklungs- und Exportmarkt (Russland) bei gleichzeitig aufgebauten Handels- und Kooperationshemmnissen zu China schädigt unübersehbar und massiv die volkswirtschaftlichen Interessen der meisten EU-Staaten. Dazu gekommen ist es durch die bereitwillige Beteiligung des EU-Establishments am völlig unnötigen Krieg in der Ukraine und an seiner unterwürfigen Außenpolitik im Kielwasser der USA.

Stellt die ungeheuer symbolträchtige Sprengung von Nordstream 2 unter stiller Akzeptanz der EU-Nomenklatura und unter öffentlichem Jubel polnischer Nationalisten dieses Establishment nicht in eine Reihe mit südamerikanischen Generälen und anderen Marionetten der USA?

"Natürlich nicht!" - höre ich den empörten Aufschrei der Transatlantiker. "Zieht unser selbstloser Freund in Washington sich aus Europa zurück errichtet Putin eine neue Sowjetunion von Lissabon bis Wladiwostok!" - Pardon: Ich halte das für ein Schauermärchen für Minderbemittelte.

Das Kapital freilich kennt keine volkswirtschaftlichen Interessen. Es passt sich der Politik an und sucht anderswo Verwertung. Dieser Teil der Kraft - oder mit Machiavelli zu sprechen, der "virtu" - wandert schon aus Europa ab. Die Bevölkerung bleibt.



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