Zweierlei Maß

15. 05. 2024

Zweierlei Gewicht und zweierlei Maß
ist beides dem Herrn ein Gräuel

Buch der Sprüche 20.10, nach Martin Luther



Falscher Parlamentsbeschluss

Mit der Zustimmung von 84 Abgeordneten und 30 Gegenstimmen hat das georgische Parlament den Gesetzentwurf "Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme" verabschiedet.

Die US-Regierung rief die Führung des Landes auf, den mit dem Gesetz eingeschlagenen politischen Kurs zu verlassen. "Unserer Ansicht nach muss die georgische Regierung den Kurs, auf dem sie sich befindet, ändern", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel [ARD]

"Man will nur noch durchregieren und - das muss man den Verantwortlichen jetzt klar machen - das hat Konsequenzen", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth, als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses gerade zu Besuch in Tiflis ... Roth will, dass die EU ein Stoppschild setzt mit Taten, die für die Verantwortlichen schmerzhaft seien. "Sie wissen, Sanktionen müssen einstimmig beschlossen werden. Mit Ungarn, mit Herrn Orban hat der Georgische Albtraum (kommentierende Anspielung auf "Georgischer Traum", den Namen der Regierungspartei, Anmerkung der Redaktion) ja einen Verbündeten in der EU und im Rat sitzen. Die Kommission sollte aber prüfen, was in ihren Möglichkeiten steht."[ARD]

Quod licet jovi non licet bovi

Man stelle sich vor, ein Abgeordneter des georgischen Parlaments reist nach Berlin ohne die deutsche Regierung darüber zu informieren, nimmt an einer Protestkundgebung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine teil, kritisiert öffentlich die Entscheidungen des Bundestages und droht mit Sanktionen.

Nein, das ist nicht vorstellbar.

Weil es im Unterschied zum Auftritt von Herrn Roth in Georgien unrechtmäßig und zuhöchst empörend wäre?

Einfacher: Weil die Machtverhältnisse in Politik und Publizistik in Deutschland / in der EU / in den USA auf der einen Seite und in Georgien auf der anderen Seite es nicht zulassen.

In den USA gibt es schon seit 1938 den sogenannten Foreign Agents Registration Act (FARA).

Ende 2017 verlangte die US-Administration die Registrierung der US-amerikanischen Tochter des russischen Fernsehsenders RT, RT America, als Foreign Agent der russischen Regierung.[15][16] Als Antwort auf diese Entwicklungen (und die Existenz des amerikanischen FARA-Gesetzes) verabschiedete das russische Parlament im November 2017 einen Zusatz zu dem seit 2012 bestehenden Gesetz über ausländische Agenten in Russland, nach dem auch amerikanische Medien als ausländische Vertreter/Agenten verfolgt werden können [WIKIPEDIA].

Diesem Vorbild der USA / des Westens nachzueifern und ausländischen Einfluss auf die heimische Politik sichtbar zu machen (Registrierung), nach bester Möglichkeit zu unterbinden und unter Strafe zu stellen - diese Praxis ist außerhalb des Westens empörend, undemokratisch und freiheitswidrig.

... damit nicht genug

Man muss aber keiner NGO angehören oder vom Ausland finanziert werden, um als Agent verdächtigt zu werden.

Selbst im formell neutralen Österreich werden öffentlich wirksame Personen und Parteien, die eine kritische Haltung zum Stellvertreterkrieg der NATO in der Ukraine einnehmen unter den Generalverdacht der "Russenfreundlichkeit" (= "Demokratiefeindlichkeit") und des Landesverrates gestellt. Mediale Ächtung, Beobachtungen des Verfassungsschutzes und gerichtliche Vorerhebungen begleiten diese Kampagne.

Als "Tangente" zur verdächtigen "Russenfreundlichkeit" gelten mittlerweile auch kommerzielle und persönliche Kontakte zu Russland / zu Russen in der Vergangenheit.

Der frühere Präsident der Europäischen Wirtschaftkammer etwa, Dr. Christoph Leitl, muss sich vom FPÖ-Abgeordneten Vilimsky vorwerfen lassen, im politischen Rektum von Putin unterwegs gewesen zu sein [STANDARD]. Bekräftigung und Zustimmung dazu liefert STANDARD-Agitator Hans Rauscher.

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Im Unterschied zum lieben Gott weiß der Mensch: Wenn zwei das gleiche tun ist es nicht dasselbe.

Ergänzung, 21. 05. 2024

Bei Kriegsverbrechen in Gaza und Israel legt der Chefankläger des internationalen Gerichtshofes nicht zweierlei Maß an. Das empört die Kriegsparteien und ihre Verbündeten, ist aber ein ungewohnt erfreuliches Phänomen. Jede Kritik an der israelischen Politik unter den Verdacht des Antisemitismus zu stellen funktioniert international offenbar immer weniger.



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