Vier Fronten |
13. 12. 2023 Die USA agieren zur Zeit an vier Fronten: in Europa (Ukraine), im Nahen Osten (HAMAS, Iran), im Fernen Osten (China, Nordkorea) und in Südamerika (Kuba, Venezuela, Bolivien) 1) Die Lage im Süden scheint zur Zeit stabil: die renitenten Staaten Kuba, Venezuela und Bolivien können die USA militärisch nicht herausfordern. Die USA beschränken sich auf Sanktionen. Südamerika bereitet den USA aber allein durch den Migrationsdruck wachsende Sorgen. Die Finanzierung von Vorkehrungen dagegen ist in Konkurrenz zur Finanzierung von US-Aktionen in anderen Teilen der Welt geraten und gefährdet deren Erfolg (Budgetstreit zum Thema Grenzsicherung, Unterstützung für Israel und für die Ukraine). 2) Die Biden-Administration hat das Risiko zu einem heißen Krieg im Fernen Osten vergrößert (provokante Besuchsdiplomatie in Taiwan entgegen der Ein-China-Politik der USA seit der Ära Nixon). Das Engagement in der Ukraine und im Nahen Osten aber zwingt die Regierung derzeit offenbar zum Innehalten. US-Kombattant Australien sucht mittlerweile das Verhältnis zu China diskret auf eigene Faust zu verbessern. 3) Der Ausbruch der Kampfhandlungen in Israel kommt den USA ungelegen. Die Unterstützung Israels ist teuer, gefährdet das delikate Verhältnis der USA zu "befreundeten", mächtig gewordenen islamischen Staaten (Saudi-Arabien, Emirate, Türkei) und steigert das Risiko eines offenen Konflikts mit dem Iran. 4) In der Ukraine läuft der Krieg beileibe nicht wie erwartet. Die Verantwortung dafür schieben Ukraine und USA einander in die Schuhe: die Ukraine sei bei der Gegenoffensive nicht so vorgegangen, wie von den USA geplant und empfohlen, monieren die USA. Die USA und der Westen habe die Ukraine nicht ausreichend unterstützt, klagt Zelensky. Dass die USA, die NATO und die EU Russlands ökonomische und politische Resilienz, den Grad seiner internationalen Vernetzung und seiner militärischen Schlagkraft unterschätzt haben sickert nur widerstrebend in das veröffentlichte Bewusstsein des "Westens". Russland ist jedenfalls kein Jausengegner wie die südamerikanischen Staaten im "Hinterhof" der USA oder wie Jugoslawien, Afghanistan, Libyen, der Irak.... und lässt sich nicht so leicht ruinieren (Baerbock) wie diese Länder. Auch die HAMAS wird sich nicht zu einer Terrororganisation verkleinern, isolieren und beseitigen lassen: sie ist im Unterschied zum IS oder zur Al Kaida nicht verbohrt islamistisch sondern politisch orientiert, bei vielen Palästinensern verankert und genießt Rückhalt in mächtigen islamischen Staaten. Neu ist nicht, dass die USA und ihre Verbündeten an mehreren Fronten ökonomische Druckmittel einsetzen und militärisch eingreifen. Neu ist auch nicht, dass der Erfolg unter den Zielsetzungen liegt oder überhaupt ausbleibt - das gab´s schon in Vietnam und in Afghanistan. Neu ist vielmehr, dass die USA und ihre Verbündeten an die Grenzen ihrer finanziellen, militärischen und politischen Potentiale stoßen: die Munitionslager sind leer, die Produktion von Waffen und Gerät im "Westen" hält mit dem Verschleiß nicht Schritt und das beliebte Konzept der Sanktionen schlägt auf die Prosperität im eigenen Lager zurück (1). Die Akzeptanz der US-Interventionen nimmt weltweit ab und der Widerstand dagegen nimmt zu: UNO-Vollversammlung fordert Waffenstillstand in Gaza - Die Generalversammlung der Vereinten Nationen spricht sich mit großer Mehrheit für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand in dem Konflikt aus. 153 Mitglieder stimmten gestern für den eingebrachten Resolutionsentwurf, zehn dagegen, darunter die USA, Israel und auch Österreich. 23 Länder enthielten sich [ORF ONLINE] (2) NATO-Sprecher und Zelensky fordern nach wie vor die freiwillige Kapitulation Russlands, also Rückzug von der Krim und von den Ostgebieten der Ukraine. Nur unter dieser Bedingung seien Verhandlungen möglich. Was aber soll dann noch verhandelt werden? Die Selbstauflösung Russlands? Kühle Analytiker (Mearsheimer etc) scheinen diese Position nicht (mehr) zu teilen. Das moralisierende Lamento über die "Kriegsmüdigkeit" in den Medien des "Westens" verstellt den Blick seiner Bürger auf die Realität. Die rund 500jährige Hegemonie des "Westens" geht schlicht zu Ende. Der "Westen" schrumpft zu einer Staatengruppe unter mehreren, ökonomisch und militärisch mächtig gewordenen Zivilisationen. Im Verhältnis zu Russland, China, Südamerika und zu den Staaten im Nahen Osten sind die ökonomischen und politischen Interessen der EU-Staaten nicht identisch mit den Interessen der USA. Das US-genehme Polit- und Publizistikpersonal in der EU klammert sich dennoch verzweifelt an den Vasallenstatus. Den USA hingegen ist das Hemd näher als der Rock. Keinem unbefangenen Beobachter kann das entgehen. Der Katzenjammer in der EU wird daher nicht ausbleiben. _______________________________ (1) Gemäß einer Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung Ifo zu Sanktionen mit dem Stand von 2020 stellen die Autoren fest, dass westliche Demokratien die häufigsten Urheber von Wirtschaftssanktionen sind, vor allem die USA und EU, während afrikanische Länder die häufigsten Sanktionsziele sind... Auch der IWF konstatierte bereits im Juni 2022, dass "die gegenwärtigen Wirtschaftssanktionen weltweit sogar größere Schocks auslösen würden als je zuvor". Trotz dieser eindrücklichen Warnungen mutiert das sanktionspolitische Instrumentarium zunehmend zum "Standrepertoire der Außenpolitik". Im Juni 2004 veröffentlichte die EU ein die Sanktionen betreffendes Konzept zu den "Basic Principles on the Use of Restrictive Measures", in dessen Mittelpunkt zielgerichtete Sanktionen stehen. Unter diesen "smart sanctions" werden insbesondere individuelle Finanz- und Reisesanktionen beschrieben... Effektiv können Exportbeschränkungen aber nur dann wirken, wenn sie unter weltweiter Beteiligung möglichst vieler Im- und Exporteure erfolgt. An den vom Westen gegen Russland auferlegten Sanktionen beteiligen sich allerdings außer den USA, Kanada und den 27 EU-Staaten nur noch acht weitere Länder. Einige Länder des Globalen Südens hingegen profitieren von den bis zu 30 Prozent betragenden Rabatten auf von ihnen importierte Rohstoffe. Trotz Preisabschlägen für nicht-westliche Abnehmer konnte Russland seine Exporteinnahmen im Jahre 2022 drastisch ausweiten und auch 2023 bei geringerem Handelsvolumen höhere monatliche Einnahmen erzielen als vor 2021... Selbst die Präsidentin der EZB und die US-Finanzministerin warnen inzwischen vor dem sanktionsbasierten Gespenst der Deglobalisierung und seinen Folgen wirtschaftlicher Fragmentierung mit weniger Handel, geringerer Produktion und höherer Inflation... So untergräbt die Sanktionsallianz das Fundament der internationalen Arbeitsteilung und schädigt sich langfristig selbst. [TELEPOLIS] (2) Zum Vergleich: Gegen den Einmarsch Russlands in die Ukraine votierten am 2. März 2022 141 Mitglieder, 5 stimmten dagegen, 35 Nationen enthielten sich der Stimme und 12 entzogen sich der Abstimmung durch Abwesenheit [WKIPEDIA] - Das "neutrale" Österreich hat in beiden Abstimmungen mit den USA gestimmt. |
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