Autonome EU? - Adieu!

11. 04. 2023

Der französische Präsident Macron hat China besucht. Besorgt um die transatlantische Einheit der EU hat sich die EU-Urschel dazu gedrängt. Sie musste allerdings das Gastland über den Touristenterminal betreten [DER STANDARD].

In gaullistischer Tradition hat Macron schon öfter Anläufe zu einer autonomen Europapolitik genommen. Erfolglos. Zurückgekehrt aus China hat er eine eigenständige Position der EU zur Taiwan-Frage gefordert. Diesmal läuft er nicht gegen eine stumme Wand. Er wird öffentlich zurechtgewiesen.

Frankreichs Präsident Macron erntet für seine Forderung, Europa solle sich im Konflikt um Taiwan nicht unbedingt an die Seite der USA stellen, scharfe Kritik. In den USA, aber auch in Deutschland [ARD]

Die Abkanzelung Macrons durch deutsche Politiker (Weber, Röttgen, Hakverdi...) macht deutlich: Deutschlands politische Klasse hat sich parteiübergreifend und vorbehaltslos (mit Ausnahme der AfD) den USA unterworfen und sich von der Idee einer autonomen EU gelöst.

Die deutsch-französische Aussöhnung - besiegelt von de Gaulle und Adenauer - schien einst der feste Kern, um den das übrige Kontinental-Europa sich über das Mittel einer fortschreitenden wirtschaftlichen Kooperation einen konnte.

Unterschiedliche Parteien und Regierungen diesseits und jenseits des Rheins haben diese Allianz lange gepflegt. Noch in der Merkel-Ära gab die deutsch-französische Freundschaft trotz aufgetretener Risse (EU-Finanzpolitik) Lebenszeichen ("Normandie-Format") - allerdings erfolglos und zum Schluss sogar transatlantisch umgedeutet.

Die Erosion dieser Allianz bis zum gegenwärtigen Aus ist nicht vom Himmel gefallen.

Nach der transatlantisch gemanagten Osterweiterung der EU im Gleichschritt mit der NATO haben Frankreich und Deutschland in der EU an Gewicht verloren.

Erschwerend für Frankreich in diesem Prozess war der ökonomische Niedergang des Landes und seine (sozial)politische Labilität (Migration, Front National). Frankreichs Souveränität ruht mittlerweile vor allem auf seinen Atomwaffen. Deutschland hingegen prosperierte - bis zum Krieg in der Ukraine.

Schon vor und erst recht nach der Osterweiterung haben die USA und GB Nationalisten in Polen, im Baltikum und in der Ukraine gehätschelt ("neues Europa" - Rumsfeld) und russophobe Kräfte in den ehemaligen Ostblockländern publizistisch, organisatorisch, politisch und finanziell unterstützt. Gemeinsam mit diesen Verbündeten haben sie das Friedensprojekt der EU zu einer transatlantisch geeinten Kriegspartei gegen Russland umgepolt.

Mit dem Krieg in der Ukraine und der faktisch und symbolisch bedeutsamen Sprengung von Nordstream 2 ist Deutschland vollends ins transatlantische Lager gekippt.

Die Russland-Orientierten unter den deutschen Wirtschaftstreibenden - bis zum Krieg ein maßgeblicher Anteil - passen sich den neuen politischen Realitäten an. Sie richten ihr Geschäft auf die USA aus. Das begünstigt die Tendenz zur De-Industrialisierung in Deutschland. Die europäischen Autonomisten aus der politischen Szene Deutschlands sind verfemt, verstummt oder müssen "Putins Angriffskrieg"(1) verurteilen und unbedingte Solidarität mit der Ukraine beteuern, bevor sie Vorbehalte gegen Sanktionen und Waffenlieferungen äußern und für Verhandlungen eintreten.

Auch im kleinen Österreich werden Bekenntnisse zur EU unter Vormundschaft der USA eingefordert. Dass die FPÖ den Video-Auftritt Selenskys im Parlament mit dem Hinweis auf die Neutralität Österreichs boykottiert hat überrascht nicht. Aber dass nur 19 von 40 SPÖ-Abgeordneten der Rede gelauscht haben hat die SP-Führung offenbar irritiert und führt zu Rücktritten [NÖN] und Reglementierungen [DER STANDARD].

Wie wird es den EU-Indianern unter dem Oberbefehl des Großen Weißen Häuptlings in Washington in Zukunft ergehen?

Brauchen sie diesfalls die EU überhaupt?

Der ehemalige Diplomat Wendelin Ettmayer konstatiert:

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(1) Macchiavelli behandelt im siebten Buch seiner Geschichte von Florenz u. a. die Verschwörung gegen Piero di Cosimo de Medici. Er sollte ermordet werden, bekam aber Wind von dem Plan und vereitelte ihn, indem er zu den Waffen griff. Macchivelli berichtet: Nachdem nun die übrigen Bürger bei dem Medici angelangt, beklagte sich einer von ihnen, welchem zu reden aufgetragen worden war, über die Unordnungen in der Stadt, deren größeres Verschulden er dem zuschob, der zuerst die Waffen ergriffen; da sie nun nicht wüßten, was Piero, welcher zuerst sich gerüstet, begehre, so wären sie gekommen, seinen Willen zu vernehmen, in der Absicht ihm zu folgen, wenn das Wohl der Stadt dadurch gefördert würde. Piero erwiederte darauf: nicht jener, welcher zuerst nach den Waffen greife, sei Urheber der Verwirrung, sondern der, welcher den andern dazu nötige.



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