Vom Schmuddelkind zur Führungsmacht |
17. 01. 2023 Panzer für die Ukraine: Polen und Grossbritannien sind Europas Führungsmächte... Die Lieferung schwerer Panzer an die Ukraine rückt näher, und der deutsche Leopard 2 ist dafür ideal. Polen, Grossbritannien und Finnland erhöhen den Druck. Jetzt muss nur noch die SPD den Schritt von der Vergangenheit in die Gegenwart schaffen. [NZZ] Vor nicht allzu langer Zeit galt Polen in der EU als Staat, in dem das Rechtswesen unter die Vormundschaft einer autoritär herrschenden nationalistischen Partei gezwungen wurde, als Staat, in dem die Demokratie, die Gewaltenteilung und die Pressefreiheit höchst gefährdet waren. Nun adelt das Qualitätsblatt "Neue Zürcher Zeitung" Polen neben Großbritannien zur europäischen Führungsmacht. Im Vergleich zu diesen Fahnenträgern der Freiheit und Demokratie wird Deutschland als zaudernder, als unsicherer Kantonist im Kampf um die "westlichen Werte" in der Ukraine gerügt. Das - so diagnostiziert die Qualitätspresse - liegt an den Sozialdemokraten, nicht an ihren fortschrittlichen Koalitionspartnern. Die Partei Willy Brandts und Egon Bahrs hat sich offenbar noch nicht restlos von der üblen Vergangenheit einer auf Versöhnung orientierten Ostpolitik gelöst. Gemach. Das ist so gut wie erledigt. Sollte es in Deutschland immer noch Politiker geben, die einen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok für eine gute Idee halten, so ist das bedeutungslos geworden. Wenn diese Leute nicht ohnehin auf kompromisslose Konfrontation umgeschwenkt sind ("Russland ruinieren") halten sie den Mund. Einfluss auf das tatsächliche Geschehen haben sie nicht. Die NZZ beschreibt die neue Realität exakt: Deutschland aber auch Frankreich sind von den USA, GB und den osteuropäischen, nationalistischen Russenhassern europapolitisch entmachtet worden. Beide Staaten sind nur noch Getriebene der NATO-Achse Washington-London-Warschau-Baltikum plus der Nationalisten in Kiew.
Nationalisten, die von GB, den USA und der transatlantischen EU-Nomenklatura publizistisch, politisch und letztlich militärisch unterstützt wurden, haben das multinationale Jugoslawien in ethnisch getrennte Staaten zerlegt. Warum sollte das mit dem Vielvölkerstaat Russland nicht gelingen? Nationalisten im Umfeld Russlands (Polen, Baltikum, Georgien, Moldawien etc) und in Russland selbst (Nawalny) sind daher die Lieblinge des Werte-Westens. Auch in der Ukraine war die giftige Strategie, auf Nationalisten zu setzen, todsicher erfolgreich. Ist die Ruinierung / die Zerschlagung Russlands ein realistisches Ziel? Gegenwärtig sieht es nicht danach aus. Eher blutet die Ukraine aus und verliert den Krieg. Es sei denn, der Werte-Westen engagiert sich noch intensiver und sehr viel länger als bisher - mit unabsehbaren ökonomischen und politischen Folgen für die derzeitigen EU-Staaten und für ihr Verhältnis zueinander. Gesetzt aber, es gelingt den USA und ihren Vasallen, Russland nicht nur nachhaltig aus Europa zu verdrängen, sondern in eine Schar unruhiger Nationalstaaten zu zerlegen. Werden diese Nationalisten sich dann unter dem Schirm der EU in friedliche, unionistisch gesinnte Regionalisten verwandeln? Mir scheint: Die erfolgreiche Instrumentalisierung von Nationalisten in Europa durch GB und USA ist vielmehr eine Garantie auf die politische Zersplitterung des Kontinents. Ergänzung 21. 01. 2023 Die USA liefern vorderhand keine Kampfpanzer. Deutschland auch nicht - trotz der dringenden Forderungen der Ukraine, trotz der rüden Töne aus Polen und den baltischen Staaten, trotz des Trommelfeuers von Grünen, Freidemokraten, Christdemokraten, Eurokraten, Qualitätsjournalisten... Kommentatoren des Mainstreams nehmen die Argumentation der USA kritiklos zur Kenntnis: der US-Panzer "Abrams" ist zu schwer, zu kompliziert.... Sie konzentrieren sich auf den "Leopard". Sie bemäkeln das Zaudern des deutschen Bundeskanzlers, die Rückständigkeit von Teilen seiner Partei und geben der Hoffnung Ausdruck, dass dieses ärgerliche Hindernis bald überwunden sein wird. Ist das eine ausreichende Erklärung für das kritisierte (vorläufige) Moratorium von Kampf-Panzer-Lieferungen an die Ukraine? - Meines Ermessens "Nein". Manchen Ländern des Werte-Westens unter Führung der USA dämmert vielmehr, worauf die USA und die NATO sich mit der Provokation und der Unterstützung dieses Krieges eingelassen haben. Die Stellvertreterarmee der NATO in der Ukraine erleidet gerade eine vermutlich einschneidende Niederlage mit hohen Verlusten. Das ihr vertraute Waffenarsenal aus den Zeiten der Sowjetunion ist verbraucht. Nun wird die geschundene ukrainische Armee mit einem Sammelsurium unterschiedlicher, meist ausgemusterter Waffensysteme beliefert, um Russland zu besiegen. Kann das funktionieren gegen eine Armee, deren Waffensysteme aufeinander abgestimmt und im Verbund einsetzbar sind? Wenn Kampfpanzer aus den NATO-Staaten (Abrams, Leopard, Challenger, Leclerc, Ariete...) schlachtentscheidend sein sollen, müssen nicht nur ein paar Exemplare von da und dort geliefert werden, sondern Hunderte und zweckmäßiger Weise nicht X verschiedene Typen. Vor allem: das Bedienungspersonal und die Logistik müssen mitgeliefert werden. Damit fällt unweigerlich die Maske des Stellvertreterkriegs, unter der die NATO bisher gegen Russland vorgeht. Die NATO-Strategen beraten offenbar, ob sie sich auf eine harte, lange und ungeschminkte Konfrontation einlassen wollen und wie genau sie das anstellen sollen. In Deutschland scheinen sich ein paar führende Sozialdemokraten (Mützenich) gegen die Option einer weiteren Eskalation zu stemmen. Oder nicht einmal das? Geht es bei der vordergründigen Frage, wer welche Kampfpanzer liefert, gar nicht mehr um die Strategie, sondern nur noch um taktische und technische Optionen: Wie kann Russland mithilfe einer optimal forcierten konventionellen Kriegsführung besiegt / ruiniert werden? Entscheidet die NATO sich für die konventionelle Eskalation (und nicht für einen atomaren Erstschlag) sollen nach dem offenkundigen Willen der angelsächsisch-osteuropäischen NATO-Achse nicht die USA, sondern soll Deutschland die Front gegen Russland anführen ("Leopard" statt "Abrams"). Das Motiv der Betreiber dieses Konzepts scheint klar: Den Deutschen und Russen soll jeder Gedanke an eine Neuauflage der Kooperation ausgetrieben werden. Die Sprengung von Nordstream 2 war dazu ein klares Signal. Noch lehnt eine Mehrheit der Deutschen es ab, in eine militärische Führungsrolle [ARD] gedrängt zu werden. Aber das wird ihnen nichts nützen, wenn die Entscheidung in der NATO zugunsten einer weiteren Eskalation fällt.
Für scharfe Kritik aus der Ukraine und aus Polen hatte Schallenberg am vergangenen Montag gesorgt, weil er in einem Redebeitrag auf einer Konferenz in Paris in Bezug auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dafür plädiert hatte, gegenüber Moskau "Augenmaß" zu bewahren... Unter Berufung auf ein Zitat des deutschen Politikers und Architekten der unter Willy Brandt eingeleiteten Ostpolitik, Egon Bahr, argumentierte Schallenberg, dass Russland nicht von der Landkarte verschwinden werde [ORF] Die Kritik an Schallenberg ist aus NATO-Sicht berechtigt. Nach den Wunschvorstellungen der NATO - vor allem seitens der osteuropäischen US-Vasallen - SOLL die Russische Föderation "von der Landkarte verschwinden". Die Frage ist nur: Schaffen sie das? Mit welchen Mitteln? Mit welchen Folgen? Gehen alle europäischen Länder dabei mit? Wenn nicht: Können sie sich dagegen überhaupt wehren? |
HOME COME IN GARDEN ARTICLES |