"Gut und bšs" - Reaktionen |
05.01. 2023 Meine Kritik an der Darstellung des Krieges in der Ukraine als Kampf der Guten gegen die Bšsen stš§t natŸrlich auf Widerstand, ebenso wie meine Kritik am quasi-religišsen Gebrauch der Kategorien "gut" und "bšs". Einige Reaktionen: Auch atheistische Humanisten kennen "gut" und "bšse" - das ist nicht (nur) religišs konnotiert wendet ein Leser ein. ... bilden die Mullahs, Taliban sowie Putin und seine Schergen absolut real eine Achse des Bšsen dekretiert ein anderer. Auch Wiglaf Droste ("Ist das Hirn zu kurz gekommen, wird sehr gern Moral genommen") findet heftigen Widerspruch: Soll hei§en was? Moral wŠre ein Zeichen von Dummheit, oder wie? Was fŸr ein Schmarrn! Dazu drei Anmerkungen: 1) Die Beurteilung des Kriegs in der Ukraine nach religišsen Kategorien fŠllt unterschiedlich aus und erweist sich als religišse Maskierung weltlicher Interessen. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat den Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits mehrfach verteidigt. Er rechtfertigte ihn etwa als "metaphysischen Kampf" im Namen "des Rechts, sich auf der Seite des Lichts zu positionieren, auf Seiten der Wahrheit Gottes, auf Seiten dessen, was uns das Licht Christi, sein Wort, sein Evangelium offenbaren". Zudem gab er dem Westen die Schuld an dem Krieg. Er sei fest davon Ÿberzeugt, dass die Urheber des Konflikts "nicht die Všlker Russlands und der Ukraine sind, die aus einem Kiewer Taufbecken stammen, durch gemeinsamen Glauben, gemeinsame Heilige und Gebete vereint sind und ein gemeinsames historisches Schicksal teilen", schrieb Kyrill I. in einem Brief an den …kumenischen Rat der Kirchen [DOMRADIO] Die ukrainische FŸhrung hingegen hat gar keinen Konflikt mit Russland, sondern mit der Hšlle: Ukraine fordert orthodoxe Kirche auf, Putin zum Satan zu erklŠren [FOCUS]. Ein evangelischer Theologe zieht zu den Aussagen Kyrills eine historische Parallele: Die Predigten des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Šhneln dem Theologen und Autor Friedrich Erich Dobberahn zufolge der "Kriegstheologie" in Deutschland in den beiden Weltkriegen. FŸr eine patriotische Kriegsbegeisterung sei die biblische Botschaft massiv verfŠlscht worden, sagt der frŸhere Leiter des Missionsseminars des Evangelisch-Lutherischen Missionswerkes in Niedersachsen, der gerade eine aktualisierte Ausgabe seines Buches "Deutsche Theologie im Dienste der Kriegspropaganda" veršffentlicht hat, im Interview dem Evangelischen Pressedienst. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sollten die Kirchen heute der Friedensbotschaft des Evangeliums verpflichtet bleiben [evangelisch.de]
Ein prominenter Kollege dieses Theologen, Ex-BundesprŠsident Joachim Gauck, ein evangelischer Pastor, interpretiert dasselbe Evangelium hingegen nach wie vor "kriegstheologisch" und fordert schnellere Waffenlieferungen an die Ukraine: Eine richtige Politik unterstŸtze den †berfallenen. Er selbst habe Schwierigkeiten mit einem politischen Pazifismus. Pazifismus als individuelle Entscheidung sei Çachtens- und ehrenwertÈ. ÇEine Politik des Pazifismus, die nicht wagt, Partei zu ergreifen, auch wenn ganz klar Opfer und TŠter zu erkennen sind, ist fŸr mich ethisch nicht nachzuvollziehen, Ÿbrigens auch religišs nichtÈ[DIE ZEI] Der ehemalige BundesprŠsident Joachim Gauck hat eine grš§ere Eile bei den Waffenlieferungen an die Ukraine angemahnt. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner sagte Gauck: "FŸr mich kšnnte es schneller gehen. FŸr viele BundesbŸrger auch, fŸr alle Ukrainer auch."[n-tv.de] Der Ukrainekrieg sei zu komplex um zwischen ãGuten und BšsenÒ zu unterscheiden, sagt Papst Franziskus [FAZ] Ausgerechnet der Papst distanziert sich von der religišsen / von der moralisierenden Vereinnahmung des Krieges? Respekt. In den NATO-LŠndern lšst er damit Befremden aus: Kritiker werfen Franziskus vor, sich angesichts des russischen Angriffskriegs nicht deutlich genug zu positionieren [SZ] Das Christentum erhebt Anspruch auf eine universelle Moral. Wie die aktuellen Beispiele zeigen, gibt es unter Christen jedoch seit eh und je krasse Unterschiede, was die Bewertung von UmstŠnden und Ereignissen mithilfe der Zuschreibungen "gut" und "bšse" betrifft. Hunderte Jahre lang haben christliche LŠnder Krieg untereinander gefŸhrt und einander zum Satan erklŠrt. Auf allen Seiten haben die Pfaffen die Waffen gesegnet. Der Drei§igjŠhrige Krieg wurde beendet, als kluge Politiker die wechselseitige Satanisierung der Kriegsparteien zur Nebensache gemacht haben. Die Akzeptanz unterschiedlicher Bekenntnisse in unterschiedlichen LŠndern war ein Schlussstrich unter politische AnsprŸche von Religionen in Europa. Religišse Motive haben damals wie heute weltliche Interessen zwar nur maskiert. In den religišs verwirrten Kšpfen der Menschen wurden sie damit aber zu unversšhnlichen Antagonismen erhoben. Wer den Krieg in der Ukraine als Kampf des "Guten" gegen "das Bšse" missversteht, fŠllt hinter den kulturellen Fortschritt zurŸck, den die Politik im WestfŠlischen Frieden errungen hat. 2) die Reichweite moralischen Verhaltens innerhalb und zwischen unterschiedlichen menschlichen Gemeinschaften ist meist bescheiden Praktische Moral ("was du nicht willst, das man dir tu, das fŸg auch keinem andern zu") dient dem sozialen Zusammenhalt. Schopenhauer hielt die FŠhigkeit zum Mitleid fŸr die naturwŸchsige Quelle von Moral. Neurowissenschafter erklŠren diese FŠhigkeit mit dem Konzept der "Spiegel-Neuronen". Praktisches Moralverhalten funktioniert spontan meist nur im engsten Kreis: Familie, Sippe, Stamm, zuweilen nicht einmal dort. Je anonymer die Gemeinschaft umso weniger ist Verlass auf das moralische Regulativ. Auf staatlicher Ebene muss moralisches Verhalten auf jeden Fall durch Polizei und Justiz gestŸtzt werden. Zwischen unterschiedlichen StŠmmen, Nationen, Kulturen... funktioniert moralisches Verhalten selten spontan: den "anderen" begegnen wir mit Vorsicht, ZurŸckhaltung, Misstrauen, Furcht oder aber †berheblichkeit und Terror, wenn sie "unseren" Interessen im Weg stehen und "wir" Ÿberlegen sind. Zu Menschen au§erhalb der Gemeinschaft unterhalten wir menschliche Beziehungen nicht in derselben Tiefe wie zu Gemeinschaftsmitgliedern. Wir... teilen mit ihnen nicht die gleiche Herkunft, Geschichte und Kultur; wir leben nicht unter den gleichen allgemeinen Lebensbedingungen und den gleichen Institutionen; wir haben ihnen gegenŸber nicht dieselben LoyalitŠtspflichten wie gegenŸber den Mitgliedern der Gemeinschaft [Lothar Fritze] Ob es den Menschen je gelingt, durch Bildung, mithilfe des Všlkerrechts und funktionierender internationaler Institutionen (das wŠren solche, die nicht von einem Hegemon okkupiert und instrumentalisiert sind) einen friedlichen, zivilisierten Umgang der Všlker im wechselseitigen Respekt zur NormalitŠt zu machen? Die Aussichten dazu sind nicht ŸberwŠltigend. 3) Moral ist nicht dumm. Moralisieren ist dumm. Oder zynisches KalkŸl von "Meinungsbildnern", die im Dienst bestimmter Interessen Emotionen anheizen. In beiden FŠllen behindert Moralisieren die Analyse von Konflikten, zielfŸhrende Verhandlungen und einen gewaltfreien Interessenausgleich. |
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