![]() |
Solidarität? |
23. 11. 2022 Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie Adorno
Wissenschaft und Kunst gehören der Welt. Goethe Nachrichten sind ein seltenes Gut. Notgedrungen wählt jedes Medium nur wenige Fakten aus dem ungeheuren Strom der Ereignisse und macht sie öffentlich. Welche Fakten ein Medium auswählt, wie es diese Fakten präsentiert und kommentiert ist von der Medienlinie abhängig. Die Fakten mutieren dabei meist zu Meinungen über Fakten. Sie fügen sich in einen "Frame", der nicht expliziert / nicht reflektiert, sondern als selbstverständlich unterstellt wird. Der Frame selbst ist eine Funktion der Interessen, mit denen das Medium über Eigentümer / Herausgeber verbunden ist. Schon Sprachregelungen reichen aus, um Nachrichten zu framen: "Regime" vs Regierung; "Despot" vs Präsident; "Angriffskrieg" (Russland) vs "humanitäre Intervention" (NATO in Jugoslawien etc). Wenn ein Präsentator in der ZIB die Nachricht "Russland greift Kraft- und Umspannwerke der Ukraine an" mit der Bemerkung einleitet, "Putin ist perfide" ist das kein erkennbarer Kommentar, sondern wird dem Faktum einfach beigemischt. Einer der wenigen Journalisten, die sich um trockene Nachrichten bemühen, ist Herr Wehrschütz. Mich wundert, dass er nicht schon längst durch einen Korrespondenten jenes Typs ersetzt wurde, der wie der ORF-Mann in Moskau funktioniert. Was und wie dieser Typ berichtet ist treffsicher vorhersehbar. Aussagen der ukrainischen Regierung zum Kriegsgeschehen und über Kriegsverbrechen werden wie Nachrichten publiziert. Selensky wird zu allen möglichen Sitzungen und Gremien zugeschaltet und ist nahezu täglich auf westlichen Bildschirmen zu hören und zu sehen. Russland kommt über den Filter von Korrespondenten und Moderatoren zu Wort. Auch das tägliche Presse-Briefing des britischen Geheimdienstes genießt die Aura von Nachrichten. Demnach steht Russland unmittelbar vor einer Niederlage. Die russischen Soldaten sind schlecht ausgebildet, demoralisiert und werden täglich zu Hunderten geopfert. Die Offiziere sind unfähig, die Munition geht zu Neige und die besten Russen verlassen ihr Land. Der Medienkonsument in Österreich weiß daher: > Russland ist eine korrupte, rückständige Diktatur auf tönernen Füßen. Putin ist ein kalter, hinterhältiger Despot, ein Killer und Kriegsverbrecher, der ganz Europa militärisch bedroht, die EU zerstören und die Sowjetunion wieder errichten will. Um das zu verhindern sind Sanktionen gegen Russland, Waffen und Geld für die Ukraine erforderlich. Bis zum Endsieg. > Die Ukraine ist eine tapfere Demokratie, die sich erfolgreich gegen den empörenden Überfall eines barbarischen Regimes wehrt. Dieses Land braucht die Solidarität des Westens, einschließlich die des neutralen Österreichs. Im Verhältnis zu Killern gibt es keine Neutralität.
Ich war in Russland und in der Ukraine, beruflich und als Tourist. Das macht mich zu keinem "Kenner", aber auch diese Impressionen zählen. Ich bin historisch interessiert und habe im Lauf meines Lebens natürlich auch russische Autoren gelesen: Puschkin, Gogol (ein Ukrainer, der auf russisch schrieb), Turgenjew, Dostojewski, Tolstoj, Tschechow (ukrainische Großmutter), Majakowski, Jessenin... und schätze wie viele Europäer die Musik russischer Komponisten. Zu meiner politischen Information nutze ich neben dem Staatsfunk und einer Reihe von Leitmedien im Westen auch Informationsquellen abseits des Mainstreams. Bei Rechtgläubigen macht mich das wohl zum "Relativierer" oder "Putinversteher". Wenn schon. Das Leben hat mich gelehrt, dass alles relativ ist. Selbst in der Physik. So habe ich durch lange Jahre hindurch ein Bild von Russland, von der Ukraine, vom aktuellen Krieg und seiner langen Vorgeschichte gewonnen, das von dem Bild abweicht, das die Massenmedien in der Einflusssphäre der NATO darüber verbreiten. - Jetzt freilich wird alles anders. Der Krieg zwischen Russland und der ukrainisch maskierten NATO verändert Russland und Westeuropa. Keine Seite zum Besseren. - Zur derzeitigen Ukraine frage ich mich: Wie charakterisiert man einen Staat, dessen Apparat > durch den Sturz und die Vertreibung des gewählten Präsidenten an die Macht gekommen ist und seither > einer Ethnie, die im beanspruchten Staatsgebiet seit eh und je lebt, einen autonomen Status im Rahmen einer völkerrechtsverbindlichen Vereinbarung (Minsk) verwehrt hat > diese Ethnie seit acht Jahren diskriminiert / beschießt und ihr verbietet, Parteien zur Vertretung ihrer Interessen zu bilden > rund einem Drittel der Bevölkerung die Muttersprache austreiben will, d. h. den Gebrauch und den Unterricht dieser Sprache verbietet, Zeitungen, Radio- und Fersehsendungen in dieser Sprache nicht zulässt > Literatur, Musik und bildende Kunst von Angehörigen dieser Sprache aus der Schule, aus Bibliotheken, von Theater- und Opernbühnen verbannt, Statuen abreißen und Büsten verhüllen lässt, die an Künstler und Wissenschafter aus dieser Ethnie erinnern > Opern- und Konzerthäuser anderer Länder auffordert, keine Opern oder Konzerte von Komponisten aufzuführen, die diese Sprache sprechen / gesprochen haben und keine darstellenden Künstler mit dieser Muttersprache auftreten zu lassen > Monat für Monat zu hundert Prozent von den NATO-Staaten alimentiert wird > nur aufgrund massiver Waffen- und Munitionslieferungen, zahlloser Berater, Ausbildner, Söldner (darunter vermutlich Soldaten aus NATO-Ländern) und Aufklärungs-Dienstleister aus Femdländern imstande ist Krieg zu führen > Truppenteile duldet, die Nazi-Embleme auf Fahnen, Uniformen und Ausrüstungsgegenständen stolz zur Schau tragen und ihre Gegner als "Orks" bezeichnen Einen Staat mit so einem Apparat nenne ich einen Marionettenstaat, in dem Rassisten und blindwütige Nationalisten den Ton angeben dürfen, weil sie der NATO gegen Russland nützlicher sind als besonnene Bürger. Die tägliche Aufforderung zur Solidarität mit diesem Staat, mit dieser "Demokratie", mit diesem Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie (Adorno) empfinde ich als Zumutung. Die Patenschaft über diesen Staat fällt auf die ökonomische, politische und moralische Verfassung der EU fatal zurück.
Europa hat im vergangenen Jahr von einer außergewöhnlichen transatlantischen Geschlossenheit profitiert jubelt Mark Leonhard, der Direktor eines einschlägigen transatlantischen Thinktanks, des European Councils on Foreign Relations im STANDARD. Für die Vernichtung von Leben und Wohlstand, angesichts explodierender Energiepreise und sozialer Verwerfungen in Europa ist "Profit" eine recht merkwürdige Metapher. Profit im tatsächlichen Sinn machen v.a. Rüstungskonzerne, Energieproduzenten und -händler in den USA. |
HOME COME IN GARDEN ARTICLES |
![]() |
![]() |
![]() |