Deutschland rabiater machen

10. 10. 2022

Im Krieg zwischen Russland und der NATO auf dem Gebiet der Ukraine verhält Deutschland sich immer noch zu zögerlich.

In Deutschland selbst sind dieser Ansicht die Grünen, die Transatlantiker in CDU, SPD und FDP und Deutsche in der Tradition der nationalsozialistischen Eroberungspolitik.

Außerhalb Deutschlands fordern in forschem Ton vor allem das ukrainische Regime, Polen und die baltischen Staaten mehr deutsches Engagement: moderne Panzer, noch mehr schwere Waffen und zwar pronto.

Nicht im deutschen Interesse sehen das Engagement Deutschlands in diesem Krieg Bürger, die sich um ihr Unternehmen, ihr Einkommen, ihren Arbeitsplatz sorgen. Auch will ein immer noch namhafter Teil der Bevölkerung die versöhnliche Ostpolitik von Bahr und Brandt fortgesetzt haben und drängt auf Verhandlungen.

Spiegelt das Kräfteverhälntis dieser beiden Gruppen in Regierung und Parlament das Verhältnis dieser Kräfte in der Bevölkerung wider?

Hält man den Vergleich zwischen der Zahl an Unterschriften von zwei herausragenden Petitionen für repräsentativ, dann lautet die klare Antwort NEIN.

Die Petition für Verhandlungen und gegen Waffenlieferungen, gestartet von Alice Schwarzer und unterstützt von Intellektuellen wie Alexander Kluge, Martin Walser, Juli Zeh etc. hat bisher 470.280 Unterzeichner gefunden.

Die Gegen-Petition (für Waffenlieferungen), initiiert von rabiaten ehemaligen Maoisten und mittlerweile US-hörigen Grünen (Fücks, Beck), unterstützt u. a. von Daniel Kehlmann, Herta Müller und dem Biden-Verehrer Wolfgang Ischinger haben bisher 93.330 Menschen unterzeichnet.

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Die Bellizisten in Politik und Medien ziehen daher alle Register: Wie kann die Bevölkerung stärker gegen Russland aufgebracht, wie kann der zögerliche Kanzler unter Druck gesetzt werden, um den deutschen Einsatz in diesem Krieg zu steigern?

Am effektivsten sind / wären dazu wohl rüde Schädigungen an deutschen Interessen, die man Russland zuschreiben kann.

Die tagtäglich wiederholte Behauptung, Russland setze sein Gas als "Waffe" gegen Deutschland ein, findet gewiss Gläubige, ist aber offenbar nicht duchschlagskräftig: bisher werden die Demonstranten nicht weniger, die gegen den freiwilligen Verzicht der Ampel-Regierung auf russisches Gas auf die Straße gehen.

Die Sprengung der Nordstream-Leitungen Russland anzulasten scheint auch nicht zu verfangen: zu offensichtlich ist zumindest politisch interessierten Menschen, dass Russland daraus keinen Nutzen ziehen kann - im Unterschied zu den USA und den übrigen Nordstream-Hassern in der NATO.

Bahnkunden hingegen gibt es viele in Deutschland und es sollen ja noch viel mehr werden. Ein Anschlag auf die Deutsche Bahn, für den man Russland verantwortlich machen kann - ja, so etwas könnte ziehen!

Der grüne Kriegstreiber Hofreiter unkt bereits in diese Richtung.

Welchen Vorteil Russland allerdings von einem rabiateren Deutschland haben soll, das dem ukrainischen Regime endlich mehr und bessere Waffen schenkt - um das zu erkennen, muss man wohl um mehrere Ecken denken.

Nachtrag 11. 10. 2022

Mit der "Zeitenwende" befasste sich der Philosoph Nida-Rümelin in seinem frei gehaltenen Referat zum "Tag der Deutschen Einheit" im gestrigen Oberbank-Forum.

Eine "Zeitenwende" liege vor, wenn nichts mehr sei wie vorher. Beispiele: Alexander etwa habe die griechischen Stadtstaaten in seinem Imperium aufgehoben. Der Dreißigjährige Krieg habe den Absolutheitsanspruch von Religionen zugunsten der Ko-Existenz unterschiedlicher Bekenntnisse beendet.

Kennedys Deal mit Chruschtschow 1962 (Abzug der russischen Raketen von Kuba gegen Abzug der US-Raketen aus der Türkei) erschien in Rümelins Ausführungen wie eine historische Analogie zum Westfälischen Frieden.

Kennedy allerdings hatte dem Drängen der Militärs nach einem Präventivschlag nicht nachgegeben und den Abzug der amerikanischen Jupiter-Raketen aus der Türkei geheim gehalten.

Anmerkung meinerseits: Im Jahr darauf wurde Kennedy das Opfer der magischen Kugel eines Einzeltäters. Jede andere Erklärung wurde als Verschwörungstheorie verbannt. Wie immer. Danach war jedenfalls "nichts mehr wie vorher" und der Vietnam-Krieg nahm Fahrt auf.

Mit einem ironischen Verweis auf Fukuyamas absurde Idee vom "Ende der Geschichte" ging Nida-Rümelin auf behutsame Distanz zum Absolutheitsanspruch des "Westens" und seiner einseitig "regelbasierten" Ordnung. Er plädierte für eine "multipolare Weltordnung", ohne auf den Krieg in der Ukraine einzugehen.

Eine "multipolare Weltordnung"? Führt diesen Begriff nicht auch Putin im Mund im Kontrast zum Absolutheitsanspruch des Westens unter Führung der USA? - Nida-Rümelin blieb abstrakt genug, um nicht als "Putinversteher" attackiert zu werden.

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Inzwischen dreht sich die Eskalationsspirale in diesem Krieg ungebremst weiter. Eine wechselseitig respektierte Begrenzung, einen Deal wie zwischen Kennedy und Chruschtschow hat Biden verweigert. Wie sonst wäre es zu diesem Krieg gekommen?

Ein pragmatischer Kompromiss bleibt außer Sicht. Aber auch ein Sieg / eine Kapitulation zeichnet sich nicht ab. Noch dominieren zuversichtliche Durchhalteparolen auf beiden Seiten.



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