Unbegründetes Misstrauen |
09. 06. 2022 Dieses Ziel ist erreicht. Die europafeindliche US-Politik war nie ein Geheimnis. Sie setzt die Tradition der Europa-Politik des englischen Empires fort: Das britische Interesse für Kontinentaleuropa reichte lediglich soweit, mit Hilfe ausgklügelter Paktsysteme (Balance of Power-Politik) Europa "ruhig zu stellen", so dass es aus britischer Sicht keine Bedrohung mehr darstellen konnte und das Vereinigte Königreich ungestört seine eigenen, globalen Interessen verfolgen konnte. "Großbritanniens 'ewiges' Interesse lag also jahrhundertelang darin, die Mächte auf dem Kontinent im Gleichgewicht zu halten, mit anderen Worten, die europäische Einheit zu verhindern, indem es alle hegemonialen Versuche, sie herzustellen, zum Scheitern brachte" (Schwarz, 1997, S. 19) [Simone Claber, Großbritannien und die Europäische Integration unter besonderer Berücksichtigung ordnungspolitischer Aspekte, Schriften zur Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 22, Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, 2002] Ob der Krieg in der Ukraine mit oder ohne Gebietsverlust für die Ukraine friedlos eingestellt wird, ist für die USA belanglos. Die Axt dieses Krieges hat Europa tief genug gespalten. Frankreichs und Deutschlands Versuche, eine souveräne EU-Politik gegenüber Russland umzusetzen, ist krachend gescheitert. Deutschland lässt sich über seine Interessen mittlerweile von Polen, Balten und vor allem vom ukrainischen Botschafter Melnyk belehren. Die deutsche Regierung fügt sich den Interessen der USA und ihrer Vasallen im Osten Europas so eng wie nie zuvor. Aber immer noch ungenügend. Der polnische Präsident vergleicht Telefonate Macrons und des deutschen Kanzlers mit Putin mit dem Versuch, Hitler zum Frieden zu überreden. Dass Frau Merkel ihre Politik gegenüber Russland für gescheitert ansieht, genügt dem ukrainischen Botschafter nicht. Er ist empört, weil sie sich dafür nicht entschuldigt. Ist sein Misstrauen gegenüber der Festigkeit Deutschlands in der Front gegen Russland begründet? Nein. Dass Deutschland sich auf eigene politische, ökonomische und kulturelle Interessen besinnt und erneut eine souveräne Europa-Politik gemeinsam mit Frankreich betreibt - das ist so unwahrscheinlich geworden wie ein weißer Rabe. Ergänzung 14. 06. 2022 Aber... STANDARD: Müssten Unternehmen demnach nicht unzählige andere Länder auch verlassen? BESCHORNER: Ungerechtigkeit mit Verweis auf andere Ungerechtigkeiten zu legitimieren ist ein schlechter Ratgeber. Geschäfte mit Schurkenstaaten zu machen sticht die Frage nach Sanktionen gegenüber Russland nicht aus. Das ist der berühmte Whataboutism, also die Frage "Aber was ist mit anderen Ländern?" Die Kenntnis über massive Missstände in China, im arabischen Raum oder sonst wo sollte uns eher dazu anregen, auch über Wirtschaftsbeziehungen in diesen Ländern nachzudenken. Sanktionen gegen Russland sofort und unbedingt. Missstände in anderen Staaten hingegen "sollten" (= coniunctivus potentialis anstelle des gebieterischen Imperativs zu Russland-Sanktionen) "uns" (wen genau?) lediglich "anregen", über Wirtschaftsbeziehungen zu diesen Ländern "nachzudenken". Die lächerliche Doppelmoral des "Westens" bei seinen wirtschaftlichen Beziehungen zu politisch genehmen und politisch nicht genehmen „Unrechtstaaten“ ist unübersehbar. Den Hinweis darauf als „Whataboutism“ abzuschusseln enthüllt das moralische Tremolo dieser famosen „Wirtschaftsethiker“ als platte Ideologie im Dienst der NATO. |
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