Wie geht es weiter?

27. 02. 2022

Die Empörung über den völkerrechtswidrigen Einfall russischer Truppen in die Ukraine ist weltweit beträchtlich. Im UNO-Sicherheitsrat blieb Russland bei der Ablehnung der Verurteilung allein. China, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate enthielten sich lediglich der Stimme.

Proteste quer durch das Parteienspektrums des Westens, ratlose bisherige "Putinversteher", massive, international wirksame Sanktionen gegen Russland, Waffenlieferungen an die Ukraine nun auch durch Deutschland - all das macht deutlich, wie sehr das Vorgehen Russlands den Westen alarmiert.

Was ist das Kriegsziel?

Unklar ist zur Zeit immer noch, was genau Russland mit diesem Einfall bezweckt.

Die meisten Kommentatoren scheinen davon auszugehen, dass Russland die Ukraine erobern, besetzen und politisch umpolen will. Manche befürchten gar eine Ausweitung der russischen Angriffe auf die baltischen Staaten.

Letzteres halte ich für höchst unwahrscheinlich: eher würde wohl Putin gestürzt, als dass Russlands Elite sich ohne Not auf einen Nuklearkrieg gegen die NATO einlässt.

Im Gegenteil: mir scheint, als wollte Russland mithilfe dieses Kriegs die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs verringern.

Meine Vermutung stützt sich auf die heftige Reaktion Putins auf die Hartnäckigkeit des Westens, den NATO-Beitritt der Ukraine offen zu halten. Seine Argumentation: tritt die Ukraine der NATO bei, wird sie bei günstiger Gelegenheit versuchen, die Krim mithilfe des Bündnisses militärisch zurück zu erobern. Das wäre ein Krieg der NATO gegen Russland mit unabsehbaren Folgen:

Im März 2021 verabschiedete die Ukraine eine neue Militärstrategie. Dieses Dokument ist praktisch voll und ganz der Konfrontation mit Russland gewidmet und verfolgt das Ziel, ausländische Staaten in den Konflikt mit unserem Land zu verwickeln. Diese Strategie sieht die Organisation eines im Grunde terroristischen Untergrundes auf der russischen Krim und auf dem Donbass-Territorium vor. Darin sind auch die Konturen des vermutlichen Kriegs festgeschrieben, und enden sollte er nach Auffassung der Kiewer Strategen – ich darf zitieren: „...unter Mitwirkung der internationalen Völkergemeinschaft unter für die Ukraine günstigen Bedingungen“. Und außerdem – ich darf wieder zitieren, denken Sie nur bitte nach: „bei militärischer Unterstützung der Weltgemeinschaft in der geopolitischen Konfrontation mit der Russischen Föderation“. Im Grunde ist das nichts als die Vorbereitung auf Kriegshandlungen gegen unser Land – gegen Russland [Wladimir Putins Rede zur Donbass-Anerkennung – Teil II]

Kann Russland eine solche vom Westen offenbar hartnäckig begünstigte Entwicklung verhindern? Kann Russland der Ukraine eine Zusage zur militärischen Neutralität, zur Anerkennung der Abtrennung von Krim und Donbass im Tausch gegen den Abzug der russischen Truppen abringen?

Russland scheint es zu versuchen.

Wie realistisch ist dieses Vorhaben?

Eine Zusage, die die Ukraine mit der Pistole auf der Brust abgibt, könnte nur bei Ratifizierung durch den Westen verbindlich und nachhaltig werden. Beides scheint vorderhand ausgeschlossen.

So lange dies ausgeschlossen bleibt, Russland das Ziel der Neutralisierung aber weiter verfolgt, wäre Russland gezwungen, die Ukraine zu besetzen.

Das kann Russland m. E. ebenso wenig durchstehen, wie die NATO / USA die Besetzung Afghanistans durchgestanden haben. Es wäre lediglich offen, wie lange Russland das aushält und was sonst in dieser Zeit auf der Welt passiert.

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Joseph Fouche hat die Hinrichtung des bourbonischen Herzogs von Enghien auf Befehl Napoleons politisch für falsch gehalten und soll gesagt haben: „Das war schlimmer als ein Verbrechen, das war ein Fehler“

Der realitätsbezogene Zynismus des ehemaligen Revolutionärs und späteren Polizeiministers Napoleons drückt aus: es gibt Verbrechen, die sich lohnen - wie der NATO-Überfall auf Jugoslawien - und Verbrechen, die sich nicht lohnen, wie vermutlich der Krieg Russlands gegen die Ukraine.



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