Am Ziel / Vorbei

22. 02. 2022

Russland hat die Verantwortung für den Bruch eines Vertrags (MINSK) übernommen, dessen Umsetzung Kiew sieben Jahre lang verweigert hat, ohne von seinen befreundeten Vertragspartnern zur Kooperation gedrängt zu werden.

Die nun verhängten / drohenden Sanktionen schätzt Russlands Führung offenbar als weniger nachteilig für Russland ein als die Weiterführung langer, ergebnisloser Gespräche, in deren Schatten USA / NATO / EU politische, ökonomische und militärische Veränderungen zum Nachteil Russlands vorangetrieben haben.

Riskante Entscheidung

Russland benimmt sich jetzt wie der Feind, zu dem USA / NATO / EU Russland erklärt haben: Ihr wollt uns nicht als Freunde oder Verbündeten wahrnehmen, aber warum macht Ihr einen Feind aus uns?äußerte Putin in seiner ungewohnt emotionalen Rede.

USA / NATO / EU (diese drei Entitäten sind diesfalls gemeinsam und in dieser Reihenfolge der Bedeutung nach zu nennen) werden Russland vom Rest Europas ökonomisch, politisch und militärisch abkoppeln (Hurra, Nordstream 2 ist endlich tot!). USA / NATO / EU werden eine Politik intensivieren, die gegen die Sowjetunion erfolgreich war.

Die Sowjetunion wurde zu Tode gerüstet, als sie - im Unterschied zu China - zu Reformen aus eigener Kraft unfähig geworden war. Diese Politik haben die USA gegen Russland wieder aufgenommen, nachdem Putin den Ausverkauf des Landes nach der traumatischen Jelzin-Ära gestoppt hat.

Ein Teil der Europäer - Deutschland, Frankreich, Österreich - hat dabei bisher nur zögernd mitgemacht. Das ist vorbei. Die USA haben sich durchgesetzt. Die EU knurrt geschlossen bei Fuß.

Zu bezweifeln freilich ist, ob Russland ebenso friedlich Bankrott erklärt, wie dies die Sowjetunion unter Gorbatschwow im Vertrauen auf westliche Zusagen getan hat. Das Risiko liegt diesmal auf beiden Seiten.

Am Ziel / Vorbei

Die USA haben ein für sie wichtiges geopolitisches Ziel erreicht. Die Kosten tragen EU-Europäer, Ukrainer und Russen.

Die Vorstellung von einem "Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok" oder gar von einem "Gemeinsamen Haus Europa" (Gorbatschow) haben sich als Illusion erwiesen. Das ist vorbei.

Die Einschätzung von Christian Hacke zum Geschehen und seinen vermutlichen Folgen ist nicht die eines "Putinverstehers" und dennoch kein Kompliment für den Westen.

Ergänzung 23. 02. 2022

Transatlantisch orientierte Agitatoren wie Hans Rauscher feiern den gefestigten Schulterschluss von USA und EU gegen Russland.

Nüchterner fällt der Befund von Kommentatoren aus, die sich keineswegs als "rechte" oder "altlinke" "Antiamerikaner" (Rauscher) brandmarken lassen.

Wer sich mit den Interessen der USA und den Interessen Europas in historischer Perspektive befasst, hält sich an Artikel wie diesen.

Ein Treppenwitz noch zu Nordstream 2: vor 40 Jahren haben die USA versucht, den Bau der Pipeline Urengoi-Pomary-Uschgorod zu verhindern. Heute ist das aus Sicht der USA die einzig zulässige Pipeline, weil sie durch die Ukraine führt und die Ukraine mithilfe des Staatstreichs von 2014 politisch gegen Russland umgepolt worden ist.



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