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Kurz (3) |
11. 10. 2021 Wer ist Kurz? In der Affäre Kurz ging / geht es vor allem um seine Persönlichkeit: er sei machtbesessen und habe - ohne vor Rechtsbrüchen zurückzuschrecken - sich an die Spitze der Partei geputscht, führe sie autoritär und habe mit seinen Getreuen gar einen mafiosen "Staat im Staat" errichtet. Seinen politischen Mitbewerbern und Kritikern geht es natürlich nicht um die Macht, sondern um die Menschen, um Respekt, Rechtsstaat und Demokratie. Hans Rauscher, einer seiner unermüdlichsten Kritiker, stellt ihn in eine Reihe mit Haider und Grasser und meint, der "Erlöseranspruch" solch "jugendlicher Blender" fasziniere halt zeitweise den offenbar dümmeren Teil des Wahlvolks. Auch Jürgen Kaube in der FAZ warnt vor "charismatischen" Politikern wie Kurz. Geht es in der Affäre Kurz also nur um einen inhaltsleeren, machtbesessenen Blender? Geht es nicht um Politik? Klar geht es um Politik. Besonders "charismatisch" finde ich Kurz nicht: Er ist kein mitreißender Redner. In Interviews äußert er sich überlegt und meist sehr kontrolliert. Er ist nicht scharfzüngig und aggressiv, wie Haider oder Söder. Er tritt eher bescheiden auf, nicht eitel wie KHG. In ruhigen, wohl gesetzten Worten hebt er sich ab von der erregten polemischen Suada manch seiner Feinde. Dass er in vermeint intimer Kommunikation auch zu Kraftausdrücken greift, erregt allerdings den Abscheu seiner Politiker-Kollegen bis hinauf zum Bundespräsidenten. Was andere Politiker über ihre Konkurrenten / Feinde privatim äußern wurde bisher von keiner Staatsanwaltschaft öffentlich gemacht, ist aber gewiss nicht feiner. Das ist keine bloße Vermutung, wenn man sich nur die öffentlich geäußerten Beschimpfungen im Parlament ins Bewusstsein ruft. Der STANDARD-Autor und frühere Außenminister Deutschlands, der Grüne Joschka Fischer, hat den Präsidenten des Bundestags im Bundestag als "Arschloch" beschimpft. M.W. haben seine Parteigenossen und Sympathisanten dies heiter zur Kenntnis genommen und als "mutig" gegenüber dem Establishment empfunden. Im Forum des STANDARDs, dem Zentralorgan der Ein-Gebildeten, wird Kurz seit Jahr und Tag hundertfach beschimpft, geschmäht und beflegelt. Seine politischen Positionen Nicht als Charismatiker, sondern als großes politisches Talent habe ich Kurz seit seinem Eintritt in die Politik wahrgenommen. Ab 2015 hat er das politische Profil der Volkspartei verändert: In der Migrationsfrage verfolgt Kurz einen harten Kurs gegen das neoliberale und "linke" Laissez-faire; seine liberale Wirtschafts- und Steuerpolitik hingegen wird von Industrie und Wirtschaftskammer gutiert; er stemmt sich gegen die Vergemeinschaftung der Schulden in der EU; er trägt die Sanktionspolitik der EU nicht enthusiastisch mit und hält Gesprächskanäle zu Ungarn und Polen offen - im Interesse österreichischer Unternehmen und Arbeitsplätze; seine Sozialpolitik ist überraschend behutsam im Vergleich zur Sozialpolitik anderer Konservativer; "rechte" Positionen brachte er mit "grünen" geschickt unter einen Hut. Dieses politische Profil hat ihm und der VP zweierlei eingebracht: 1. Attraktivität bei Wählern über die schmelzende Kernschicht der alten Volkspartei hinaus. 2. Anfeindungen aus allen anderen politischen Strömungen: Neoliberale, EU-Zentralisten, "Linke" und "Rechte" sehen / sahen in ihm den Feind Nummer Eins. Seine Neue Volkspartei - gemessen am letztmaligen Wähleranteil trägt sie als einzige Partei in Österreich diese Bezeichnung zu Recht - engt sie in ihren Bestrebungen ein / macht ihnen Wähler abspenstig. Dieser Umstand und nicht die Sorge seiner Mitbewerber um Moral und Rechtsstaat scheinen mir maßgeblich für die Attacken, die parallel zu seinen Wahlerfolgen an Heftigkeit zugenommen haben. Sie werden publizistisch und juristisch unterstützt und sind nicht auf Österreich beschränkt - wer sich sogar erfrecht, Merkels Linien in der EU zu kreuzen... Wie geht es weiter? Hat Kurz tatsächlich schwere Rechtsbrüche begangen, muss er sich seinen Absturz selbst zuschreiben. Aber auch wenn er das nicht getan hat, ist seine Verfemung vermutlich irreversibel. Dafür sorgen die tagtäglich publizierten, genüsslich moderierten und kommentierten Vorwürfe und "chats", mit denen Journalisten das öffentliche Bewusstsein füttern. Unparteilich? Geh. Nach einer Untersuchung in Deutschland präferieren 46,6 % der Journalisten die Grünen, die SPD und die Linke, nur 9% die CDU. Unter den Volontären in der ARD würde die CDU gar an der 5-Prozent-Hürde scheitern. Ob das in Österreich viel anders ist? Gegen die kulturelle Hegemonie dieses Politclusters, dessen Interessen von den Interessen des "Wahlvolks" beträchtlich abweichen, lässt sich offenbar nicht regieren. Die Stadt Wien - die im übrigen auch mehr für den "Boulevard" ausgibt als das Bundeskanzleramt - unterstützt mit FALTER und STANDARD jene "progressiven" Blätter, die über jeden Schritt der Staatsanwaltschaft in Sachen VP informiert scheinen. Als "Aufdecker" publizieren sie spezifische Akteninhalte, stets versehen mit zielgerichteten redaktionellen Beiträgen.
Die Absetzbewegung von Kurz in der VP verläuft nach den unerbittlichen Gesetzen der politischen Physik. Unterstützer wenden sich ab, Feinde kommen aus der Deckung. Einhergehen wird das wohl mit einer Revision der politischen Positionen: die VP wird sich den Grünen, den NEOS und Sozialdemokraten wieder annähern, politisch austauschbarer werden. Die geborgten Kurz-Wähler werden sich daher verlaufen: zu anderen Parteien, aber auch zu den Nicht-Wählern. |
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