"America first"

25. 11. 2020

Nachdem Biden die Mehrheit der Wahlmänner amtlich erreicht hat und Trumps Einsprüche erstinstanzlich abgewiesen wurden, hat Trump den Übergang der Präsidentschaft eingeleitet.

Dennoch gehen Trump und rund 80 Prozent seiner Wähler davon aus, dass Wahlstimmen manipuliert wurden. Sie vermuten u.a., dass die unsichere Wahl-Software der Firma Dominion gehackt wurde, um Stimmen von Biden zu Trump "zu schaufeln".

Eine derartige Manipulation ist nach dem Zeugnis eines Security-Experten angeblich leicht durchführbar. Die Trump-Anhänger führen als Beleg dafür Merkwürdigkeiten bei der Stimmenauszählung an, die sich in solchen Statistiken niederschlagen.

Der Wahlerfolg Bidens ist nach einer interessanten Datenanalyse jedenfalls einzigartig in fünffacher Hinsicht und übertrifft alle bisherigen "election norms".

Egal.

Ob die Trumpianer ihre Vermutung von der "rigged election" je sachlich oder gar rechtswirksam bestätigt erhalten oder nicht: Biden und sein Team übernehmen ab sofort das Ruder in den USA und werden es gewiss nicht abgeben.

In der Polit- und Medienszene der EU wird Trump mehr denn je mit Hohn, Spott und Verachtung geschmäht, während Biden als Weißer Ritter geradezu frenetisch begrüßt wird.

Biden wird nicht nur das Klima retten. Anstelle von Trumps egoistischer "America first"-Politik bekennt er sich zum Multilateralismus.

Darunter versteht er die Führung der Welt durch die USA.

Trump hat unter "America first" verstanden: „take care of this country first before we worry about everybody else in the world“

Danach hat er zweifellos und durchaus erfolgreich gehandelt in seiner Industrie-, Arbeitsmarkt- und Handelspolitik, aber auch in einer nicht-militanten Außenpolitik.

Das parteiübergreifende Establishment der USA und der "transatlantischen Gemeinschaft" in Politik, Administration, Geheimdiensten und Medien ist konträr orientiert. Es hat vier Jahre lang gegen Trump kampagnisiert und ist den politischen Außenseiter endlich losgeworden.

Feiern wir nun das Ende von "America first"?

Ganz und gar nicht. Im Gegenteil: die Elite der USA und ihre Gewährsleute in der EU gehen mit neuer Energie daran, der übrigen Welt vorzuschreiben, was gut und schlecht, richtig und falsch ist. Russland erhält wieder die Rolle des Hauptfeindes.

Im dafür besonders wichtigen Deutschland kann die Biden-Administration neben CDU und SPD mit der unbedingten Loyalität einer weiteren einflussreichen Partei rechnen. Sie hat sich diesbezüglich seit ihrer Gründung um 180 Grad gewendet und drängt heftig in die Regierung. "Mehr als andere Parteien sind die gewandelten Grünen der verlängerte Arm der USA im Bundestag und im Sinne des US-Imperialismus die verlässlichsten Gegner Russlands und Chinas" konstatiert der ehemalige SPD-Chef Lafontaine.

Kurz: Unter dem falschen Etikett des "Multilateralismus" steckt ein bedrohlicheres "America first" als das "America first" Donald Trumps es gewesen ist.

Mit Trump waren pragmatische "deals" möglich. Sein geringes Interesse an der NATO / an Europa hätte der EU überdies neue, selbständige außen- und sicherheitspolitische Optionen eröffnet. Der Vorstoß Macrons dazu lief ins Leere. Merkel-Deutschland und vor allem die Balten und Polen bleiben lieber Vasallen der USA.

Mit Biden und seinem Team kehren Ideologie und Militanz zurück in die Außenpolitik der USA.

Damit ist auch eine „Freihandelszone über den ganzen Kontinent, von Lissabon bis Wladiwostok“, die sich der Präsident der europäischen Wirtschaftskammer Christoph Leitl seit langem wünscht, wohl auf unabsehbare Zeit abgesagt.

Die Meinungsproduzenten in Politik und Medien werden den EU-Bürgern jedoch klar machen: die USA torpedieren diese Vision keineswegs eigennützig, nein, die konfrontative Abgrenzung zu Russland liegt zutiefst im Interesse der Europäer selbst.



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