Mehr Polemik als Analyse

25. 04. 2020

China hat zu spät und falsch gehandelt und den Daten aus dem Reich der Mitte sei nicht zu trauen - darüber sind Trump und viele seiner Feinde in Politik und Journaille sich einig - entgegen der Meinung kundiger Experten.

Auch die WHO hat "versagt", die EU sowieso. Die EU ihrerseits wirft China und Russland die Verbreitung von "Verschwörungstheorien" vor. In Ischgl hat sich angeblich ganz Europa infiziert und der STANDARD titelt Wie viele Leben kostet Trumps Versagen?

Blame Game - das beliebteste Spiel vieler Politiker, Lohnschreiber und Poster. Schauen wir nur in einem Punkt näher hin:

ausgeklinkt129

Dieser Grafik (vom 25. 4. 2020) von Johns Hopkins ist zu entnehmen:

Das "am schwersten von der Pandemie betroffene Land der Welt" (STANDARD) liegt in der Todesrate pro 100 000 Einwohner anhaltend weit hinter Belgien, Spanien, Italien, Frankreich, UK und den Niederlanden.

Werden Frau Wilmes aus Belgien oder die Herren Sanchez, Conte, Macron und Rutte von der Journaille in ähnlicher Weise attackiert wie Trump? Nein. Nur Johnson, als Trumps Bruder im Geiste, wurde schon vor seiner Erkrankung ähnlich heftig zerrissen.

Einer meiner Diskussionspartner prognostiziert angesichts dieser Grafik, Trump werde schon dafür sorgen, dass die USA auch in dieser Rangliste Erster werden. Das hat ein anderer Kontrahent schon vor 14 Tagen gemeint. Die absoluten Zahlen haben sich seither verändert, die Relationen nicht.

Ein zweiter Diskutant argumentiert, wenn die Pandemie in den USA "nicht so furchtbar" verläuft, sei das nicht Trumps Verdienst, sondern das Verdienst der Gouverneure.

Also:

Wer das Glas in den USA für halb leer ansieht ("USA am schwersten betroffen") macht Trump dafür verantwortlich.

Wer das Glas für halb voll hält ("nicht ganz so furchtbar") schreibt das den Gouverneuren zu - selbst angesichts des besonders schweren Verlaufs der Pandemie im demokratisch regierten New York.

Diese Beurteilungen des Verlaufs der Pandemie entspringen offenbar den jeweils bevorzugten Narrativen und lenken lediglich von Versäumnissen und Fehlentscheidungen favorisierter Institutionen / Politiker ab.

Im übrigen sind auch die Meinungen der Experten in vielen Punkten noch geteilt. Wer ihnen zuhört, hört viele "vielleicht", "vermutlich" und "wahrscheinlich".

Nicht die schlechtesten unter ihnen räumen ein, dass vieles noch offen ist, zB ob Kinder sich schwerer anstecken als Erwachsene oder ob sie eine Ansteckung nur symptomlos / leichter überstehen, ob sie andere Menschen weniger oder genau so leicht infizieren wie Erwachsene.

Wenn nun Schulen und Kindergärten geöffnet werden - wäre da nicht Begleitforschung angebracht, um mehr Gewissheit über diese Punkte zu erlangen?

Hoffen wir also, dass Wissenschafts- und Gesundheitsministerium nicht nur darauf warten, ob die Infektionen infolge der Lockerungen generell wieder steigen, um die angedrohte "Notbremse" zu ziehen, sondern dass sie die Zeit nutzen, um spezifische Zusammenhänge zu identifizieren.

Gelingt das, wird eine differenzierte weitere Vorgangsweise möglich. Ein zweiter shutdown, nur weil man während der Öffnung wissenschaftlichen Fortschritt versäumt hat? - Puh.



HOME  COME IN
GARDEN  ARTICLES